Wer viel fragt
der Stadt, ein kleines Stück hinter dem Rummelplatz auf der
Achtunddreißigsten Straße. Ich rief Miller an. Und bekam ihn
wie gewöhnlich an den Apparat.
Aber wohlgelaunt.
»Ich habe einen Fall,
Al. Einen richtigen, anständigen Fall.
Erpressung. Ich schätze,
irgend jemand hatte zu viele Fälle, um sie alle für sich allein
zu behalten, und beschloß, dem armen, alten Miller auch mal 'ne
Chance zu geben. Jedenfalls werd ich 'ne Weile nicht im Büro sein.
Die meiste Zeit. Du hattest Glück, mich zu erwischen.«
»Gut, dann brauche ich
ja deinetwegen den Einbruch nicht zu gestehen.«
»Das könnte der
Durchbruch sein. Was kann ich für dich tun?
Ich habe hier ein paar
Unterlagen. Von der Armee, der Polizei hier, der Polizei in Lafayette und
von der Medizinischen Gesellschaft. Ich werde sie hier für dich
hinterlegen.«
»Vielen Dank, aber könntest
du mir noch einen Gefallen tun, bevor du gehst? Ich suche nach einer
verschwundenen Ausländerin. Könntest du beim Ausländeramt
nachfragen, was sie über eine junge Ausländerin haben - den
Namen hab ich nicht, aber sie hat vom Frühling 1954 bis vielleicht
September '54 hier in der Fünfzigsten Straße Ost Nummer 413
gewohnt.
Die Adresse ist die letzte,
die von ihr bekannt ist. Die Behörde hat nach 1954 fünf Jahre
hintereinander einen Mann hergeschickt, der nach ihr gefragt hat.«
»Dann mußt du
dich ans Justizministerium wenden, Al. Nicht ans Ausländeramt.«
Er hielt inne. »Es ist immer noch derselbe Fall, oder?«
»Ja, es ist derselbe
Fall. Wieso fragst du? Kriegst du jetzt, wo du ein großer Lieutenant
bist, etwa das Flattern, wenn du einem einen Gefallen tun sollst?«
»Ich bin noch kein
Lieutenant, Al.«
»Wie ich nur allzugut
weiß. Besorg mir die Sachen, ja, Sergeant?«
»Ach, verdammt. Mach
ich.«
»Und mach fix. Ich möchte
mich nicht bei deinem Captain beschweren müssen.«
Er lachte. »Bei meinem
Captain, hm? Gartland würde dich gar nicht verstehen, wenn du
wirklich mit ihm reden würdest. Du sprichst gutes Englisch.«
»Viel Glück«,
sagte ich und legte auf.
Da ich schon mal draußen
im Osten war, schien es reine Zeitverschwendung zu sein, direkt nach Hause
zu fahren, nur um die Unterlagen zu Chivian von der Polizei abzuholen.
Aber etwas anderes fiel mir nicht ein. Ich schloß einen Kompromiß
und machte bei einem Laden halt, um ein paar Walnüsse zu kaufen. Dann
fuhr ich nach Hause und genoß, den zweiten Tag in Folge, eine Fahrt
gegen den allgemeinen Strom des Stoßverkehrs der Rushhour. Ich
parkte genau auf halbem Wege zwischen dem Polizeihauptquartier und dem
SamsonHauptquartier.
Mit einer Tasche voller Walnüsse
machte ich mich auf den Weg zu den Cops. Aber alle meine Pläne waren
vergebens.
Taube Nuß war nirgends
zu sehen. Mein Geschenk blieb in meiner Tasche. Ich nahm die Aktenordner
mit und ging nach Hause.
Auf der Straße knackte
ich ein paar Nüsse in der Hand und pickte mir die Hälften
heraus. Es ist zwar nicht schwer, sie mit der Hand zu knacken, aber nach
ein paar Nüssen tut die Hand langsam weh. Wozu die Mühe? Ich
sparte mir den Rest für später auf, vielleicht um sie auf dem
Boden auszustreuen - als Überraschung für einen Einbrecher,
falls ich nächtlichen Besuch bekam oder etwas in der Art. Oder um sie
aufzuheben. Ich bin nicht allzu erpicht auf Walnüsse. Es gab
vornehmere Tätigkeiten, für die ich meine Hände schonen mußte.
Wie das Umblättern von Seiten. Seiten und noch mal Seiten.
Was ich den ganzen Abend tat.
Nicht einmal ein Anruf von meiner Flamme konnte mich davon abbringen.
Meiner mich liebenden Flamme.
Mann, das ist echte Hingabe.
Heute war Aktennacht bei Samson.
Zuerst kam Chivians Armeeakte
an die Reihe. Ihr entnahm ich, daß er 1915 in New York City geboren
war. Ein Kriegsbaby. 1943 war er als Arzt eingezogen worden. Er hatte bei
derselben Einheit gedient wie Leander Crystal und Joshua Graham. Der
einzig interessante Eintrag war, daß man ihn als »Zeuge bei
der Anhörung im Anschluß an den Tod des Soldaten Joshua Graham«
gehört hatte.
In New York war er nicht in
den Polizeiakten geführt worden, und auch nicht in Lafayette. Und
keine ungewöhnlichen Informationen von der Medizinischen
Gesellschaft, der er schon viele Jahre als angesehenes Mitglied angehörte.
Wenigstens hatte ich seine
Heimatadresse. Und die Information, daß er nicht
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