Wer viel fragt
ich, ihre Kontaktlinsen nicht zu
verlieren. Falls eine heraussprang, würde sie bestimmt in dem Gewirr
der Wimpern hängenbleiben.
Ich war zu Fuß zu
Matador gegangen; es war kein schlechter Tag, und man konnte sich
ausrechnen, daß man, selbst wenn die Luft nicht gut zum Atmen war,
durch die körperliche Betätigung des Gehens wenigstens wieder
ausgleichen konnte, was man durch das Einatmen der Abgase an Gesundheit
einbüßte. Nicht daß ich mir wirklich um meine Gesundheit
Sorgen gemacht hätte. Es war meine mentale Gesundheit, die mir jetzt
zu schaffen machte; ein Mangel an Klarheit, eine Art von Wahnsinn.
Ein Stadium des Jobs und ein
Berufsrisiko, wenn man das Glück hat, daß ein Job ein gewisses
Maß an Nachdenken erfordert.
Statt nach Hause zu gehen,
zweigte ich nach links ab und ging durch die Innenstadt. Über den
MonumentCircle, die Drehscheibe von Indianapolis.
Indianapolis ist von dem
Assistenten des Mannes entworfen worden, der Washington D.C. auf dem
Gewissen hat. Es hat einen Mittelpunkt, von dem die Straßen ausgehen
wie Speichen von einer Nabe. Ein zentraler Kreisverkehr mit acht
Ausfallstraßen. Natürlich treffen nur vier wirklich auf den
Kreis, und eine davon ist nur zwei Blocks lang, aber das Prinzip ist
erhalten geblieben, und die Diagonalstraßen spielen an Kreuzungen
die gleichen bösen Streiche wie in Washington. Mir wären da
jederzeit die rechteckigen Blocks lieber, deren Straßen in die eine
Richtung und deren Avenues quer dazu verlaufen.
Ich ging zur Bibliothek.
Vorbei an Lyman Brothers, dem Schauplatz meines ersten Jobs fern von zu
Hause. Wo ich für einen Dollar die Stunde ein Bestandsverzeichnis
angelegt habe.
Wo ich Füllfedern und Blätter
gezählt habe, alles mit dem Preis pro Stück multipliziert und
dann zusammengerechnet. Ich schwor mir, daß ich nie wieder arbeiten
würde. Man sieht, was mir das eingebracht hat. Aber es gehörte
einem netten Kerl.
Ich ging nicht schnell.
Ich hatte Versatzstücke,
alle möglichen Versatzstücke. Zum Beispiel halbe Menschen.
Menschen, die an irgendwelchen Orten lebten und dann nirgendwo lebten. Zum
Beispiel künstliche Befruchtung und Schwangerschafts neurosen. Das
Leben mußte doch einfacher sein als all das. Ockhams Satz von der
geringstmöglichen Anzahl von Annahmen. Quod erat demonstrandum.
Es ging auf elf Uhr zu. Ich
beschloß, Miller aufzuwecken.
Nur daß mir das nicht
gelang. Er war bereits auf. Und frühstückte. »Was ist los
mit dir? Kann man dir denn nirgendwo entkommen?«
»Nur in Kentucky«,
sagte ich ohne Hintergedanken. »Ich war gerade auf dem Heimweg, da
sind an einer Kreuzung, die ich gerade überqueren wollte, zwei Autos
zusammengestoßen.«
Sind sie tatsächlich.
»Also beschloß ich, nicht nach Hause zu gehen, sondern statt
dessen dich zu besuchen. Okay?«
»Heiliger Bimbam. Mach
uns noch eine Kanne Kaffee, Schätzchen, wir haben's hier mit einem
Verrückten zu tun. Ja, es ist okay.«
Während ich in der
Telefonzelle stand, rief ich noch Andrew Elmitts Nummer an. Es klingelte
zwölfmal, bevor er an den Apparat ging.
Ja?« sagte er.
Ich gab mich zu erkennen und
fragte: »Ist das Päckchen, das ich Ihnen überlassen habe,
von der Beschaffenheit, die Sie bei unserem letzten Gespräch vermutet
haben?« Ich kann nämlich auch geschwollen daherreden.
»Ja, das ist es. Heute
abend nach acht habe ich die genauen Berechnungen fertig.«
Okay. Schweizer Konten und
halbe Menschen.
Ich dankte dem freundlichen
Herrn, legte auf und wartete an der Bushaltestelle, um darüber
nachzudenken, wie ich ihm seine hundertfünfzig Dollar wieder
abluchsen konnte.
Vielleicht ein kleiner
Einbruch?
Der Bus kam. Miller wohnt in
einem kleinen Haus auf der Illinois Avenue, oberhalb von dem, was die
Einunddreißigste Straße gewesen wäre, wenn es eine
Einunddreißigste Straße gegeben hätte. Das Haus war nicht
weit entfernt von einem Straßencafe, wo ich zum ersten Mal Jazz live
gehört habe. Man nimmt den Meridian-Bus zur Dreißigsten Straße
und geht zu Fuß. Haltestelle Kindermuseum.
Ich ging schnell, weil ich
Millers Kaffee brauchte und aufs Klo mußte.
Am Frühstückstisch
wurde unser Gespräch auf hoher Ebene begonnen.
»Möchtest du was
essen?«
»Nein danke. Bloß
Kaffee.«
»Du warst lange nicht
mehr hier.«
»Mich hat ja auch
niemand eingeladen.«
»Heute hat dich auch
niemand
Weitere Kostenlose Bücher