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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Ausdruck auf dem Gesicht dieser sonst so furchtlosen Frau sah, empfand er gleichzeitig tiefes Mitleid und heftigen Zorn. Wie hatte Ludwig Hirtreiter ihnen mit seiner testamentarischen Verfügung eine solche Verantwortung aufbürden können? Er folgte seinen Eltern in die Küche. Auch hier waren die Riegel an der Seitentür vorgeschoben und die alten Schlagläden vor den Fenstern geschlossen. Statt der Deckenlampe tauchten nur zwei Kerzen den Raum in schummeriges Licht.
    Â»Was ist denn passiert?«, erkundigte er sich besorgt. Ein Hauch von Knoblauch und Salbei hing in der Luft und ließ seine Magennerven erzittern, aber er konnte schlecht jetzt um etwas zu essen bitten.
    Â»Dieser Mann war da«, sagte sein Vater mit unsicherer Stimme.
    Â»Welcher Mann?«
    Â»Der, der auf dem Parkplatz mit Ludwig sprechen wollte. Er hat mir einen Brief gegeben. Leonora, hast du ihn da?«
    Die Mutter nickte und reichte Bodenstein ein zusammengefaltetes Stück Papier. Bodensteins Finger zitterten, als er den Brief las.
    Wie angekündigt hatte Enno Rademacher nicht lange gezögert. Er bot dem Vater drei Millionen Euro für das Grundstück. Es war unglaublich.
    Â»Du bist sicher, dass es derselbe Mann war?«
    Â»Ganz sicher«, bestätigte sein Vater mit einem Nicken. »Als er heute plötzlich vor mir stand, konnte ich mich wieder erinnern. An seine Stimme. An diesen Dialekt.«
    Â»Dialekt?«
    Â»Ã–sterreichisch. Er sagte, das Angebot sei befristet, ich solle mich schnell entscheiden, sonst werde es ausgesprochen unangenehme Konsequenzen haben.«
    Â»Er hat dir gedroht?«, vergewisserte sich Bodenstein ungläubig. Er versuchte ruhig zu bleiben.
    Â»Ja.«
    Sein Vater ließ sich kraftlos auf die Küchenbank neben der Tür zum Kartoffelkeller fallen, die Mutter nahm neben ihm Platz und ergriff seine Hand. Unmöglich, ihnen in dieser Situation von Rademachers Drohungen zu erzählen oder sie gar zum Verkauf der Wiese zu drängen. Der Anblick seiner Eltern, die wie zwei verschreckte Kinder dasaßen und sich an den Händen hielten, schnitt Bodenstein ins Herz. Ein Donner krachte und ließ das Haus in seinen Grundfesten erbeben.
    Â»Was sollen wir denn jetzt bloß machen, Oliver?«, fragte seine Mutter mit zitternder Stimme. »Was, wenn dieser Mann uns jetzt auch umbringen will?«
    *
    Unruhig wanderte Nika durch das Haus. Im Fernsehen kam nichts, was sie von ihren Gedanken ablenken konnte, und die Hitze machte sie zusätzlich nervös. Sie trat auf die Terrasse, setzte sich auf einen der Plastikstühle und starrte in die Dunkelheit des Gartens. Ein leichter Wind war aufgekommen, er roch nach Regen.
    Dirk war keine fünf Kilometer von ihr entfernt und ahnte nicht, wie nah er ihr war. Die Sehnsucht nach ihm überfiel sie, wurde zu körperlichem Schmerz, der ihr die Tränen in die Augen trieb. Nika biss die Zähne zusammen. Sie konnte die Qualen in ihrem Herzen und die ständige Angst nicht länger ertragen. Die Monate des Versteckens und der Heimlichtuerei setzten ihr zu, sie war schreckhaft geworden und fühlte sich entsetzlich einsam. Längst war ihr die Ausweglosigkeit ihrer Situation bewusst; es gab kein Zurück, aber auch kein Vorwärts, ohne dass sie sich in Lebensgefahr begab. Ihre Zeit in diesem Haus neigte sich dem Ende zu, denn Mark würde Ricky irgendwann erzählen, was er gesehen hatte. Und Jannis, der nun ihren Namen kannte, würde keine Ruhe mehr geben.
    Ein Blitz durchzuckte den nachtschwarzen Himmel, Sekunden später rollte ein gewaltiger Donner über das Land. Gleichzeitig ging das Licht im Flur an, und die Hunde sprangen aus ihren Körben. Nika stand auf und ging in die Küche. Jannis und Ricky waren zurück, Hand in Hand kamen sie herein, ausgelassen lachend.
    Â»Nika!«, rief Ricky strahlend. »Du hättest dabei sein müssen! Es war sensationell! Der Theissen ist fast zusammengebrochen, als Jannis aufgestanden ist und ihm vor allen Leuten die Meinung gesagt hat!« Sie ging an ihr vorbei zum Kühlschrank. »Darauf müssen wir einen trinken!«
    Nika wusste sofort Bescheid. Ihr gefror das Blut in den Adern. Jannis hatte sein Versprechen gebrochen, sein zerknirschter Gesichtsausdruck und das verlegene Lächeln waren Erklärung genug.
    Bevor sie etwas sagen konnte, verließ er die Küche. Ricky merkte nichts, wie üblich. Sie nahm drei Sektgläser aus dem Schrank, machte

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