Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
Vom Netzwerk:
Polizeistation in Drögen gesagt, was er nun einmal gesagt hat?
    In den beiden Nächten im August, als man ihn von Ravensbrück abgeholt und in Drögen vernommen hat, hat Helmuth zugegeben, über den ganzen Goerdeler-Mist Bescheid zu wissen. Warum hat er das getan? Natürlich, eine gewisse Kenntnis musste er einräumen, einfach um seine persönliche Gegenposition darstellen zu können. Aber er hat geplappert. Er hat in heißen Worten und ganz unnötig deutlich herausgestellt, wie tief er in die Pläne eingeweiht war und wie völlig verwerflich er sie fand. Helmuth begreift es nicht. Woher kam diese idiotische Bedenkenlosigkeit, dieses ihm sonst ganz fremde Bedürfnis nach Geltung?
    »Hatten Sie zuvor etwas gegessen?«
    Harald Poelchau ist zu Besuch in Helmuths Zelle.
    »Hat man Ihnen vor dem Verhör vielleicht etwas zu essen angeboten?«
    Jetzt erinnert er sich. Früh um vier, auf der Polizeistation in Drögen. Der Teller dicke Suppe, nach einem ganzen Tag des Fastens. Poelchau nickt.
    »Möglicherweise war darin Pervitin.«
    Aber aus einer solchen Sache muss doch wieder herauszukommen sein. Helmuth muss kämpfen, er darf sich nicht einfach verloren geben. Was wirft man ihm denn überhaupt vor?
    Erstens: Er hat von der Goerdeler-Gruppe gewusst, und er hat sie nicht angezeigt. Aber wozu hätte er Anzeige erstatten sollen, und vor allem bei wem? Die Abwehr war ja bereits informiert, auch der Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler war dank Langbehn und Popitz hinlänglich im Bilde, undder inzwischen hingerichtete Polizeipräsident von Berlin Graf Helldorf wusste ebenfalls bestens Bescheid.
    Zweitens wirft man ihm Defätismus vor. Aber es gehörte zu seinen amtlichen Aufgaben, sich mit dem Kriegsverlauf auseinanderzusetzen und die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung auch kundzutun, und doch wohl besonders dann, wenn sie ihm selbst bedenklich erschienen. Wenn so etwas Hochverrat ist, dann wäre jeder verantwortlich arbeitende Beamte ein Hochverräter.
    Also dann der dritte Punkt: die Kreisauer Treffen. Aber auch die gehörten doch zu seinen dienstlichen Aufgaben. Es war Helmuths Pflicht, darüber nachzudenken, wie man verwaltungsrechtlich mit Gebieten verfahren sollte, die vom Feind besetzt wären, und Vorkehrungen für jenen Fall zu treffen. Genau das ist es, was sie bei den Kreisauer Treffen getan haben. Und wen will Helmuth Moltke mit alledem täuschen?
    Im Grunde ist es alles ein Witz. Er kann seine schönen Darlegungen ja noch nicht einmal selbst ernst nehmen. Es ist doch offenkundig, dass er von Anfang an ein Feind des Nationalsozialismus gewesen ist. Seine Rechtfertigungen sind nichts als Spiegelfechterei, genauso wie die Argumente der Gegenseite, die ja auch nur so tut, als ginge es um Rechtsfragen, während man ihm schlicht und einfach ans Leben will. Und natürlich sehen seine Feinde das alles genauso klar wie er.
    Aber das tun sie eben nicht. Helmuth muss es sich immer wieder vor Augen halten: Die drüben auf der anderen Seite leben wirklich in einer anderen Welt. Sie glauben sich selbst. Sie tun nicht nur so als ob, sondern sie beten ihren Baal wirklich an, reinen Gewissens und aus voller Überzeugung. Das sagt Poelchau, und es ist die Wahrheit. Es gibt zwischen diesen Leuten und Helmuth Moltke keinerlei Verständigungsmöglichkeit.
    Das ist nicht leicht zu akzeptieren. Helmuth war sein Leben lang bemüht, Menschen aus den unterschiedlichsten Lagern miteinander ins Gespräch zu bringen. Nun muss er sich immer wieder bewusst daran erinnern, dass es Leute gibt, mit denen nicht zu reden ist.
    Es gibt keine Rettung. Sie werden Helmuth zum Tode verurteilen. Freya hegt daran keinerlei Zweifel. Sie sitzt bei den Poelchaus am Schreibtisch. Sie schreibt an ihren Mann,
    Verteidige Dich bis zum Äußersten, aber schlängeln darfst Du Dich nicht, brauchst Du auch gar nicht, und vor allem darfst Du Dir nicht an den Karren fahren lassen.
    Er muss groß aus dieser Sache herausgehen. Sie sollen doch merken, dass sie einen Baum fällen, dessen Wipfel sie himmelhoch überragt.
    Du bist ja jemand, also wird es Dir gelingen. Von Dir kann das Schicksal etwas verlangen. Sei kühn.
    Und nun geht Freya zu General Müller: zu Gestapo-Müller vom Reichssicherheitshauptamt.
    »Helmuth will ihn um eine Unterredung bitten«, sagt Freya zu Harald Poelchau. »Er meint, Müller würde ihn vielleicht aufsparen, wenn Helmuth ihm erklärt, dass seine Beziehungen zu England noch einmal nützlich sein könnten.«
    »Man kann es

Weitere Kostenlose Bücher