Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
ein Tier.
Eine Woche nach dem Unfall musste Sadie ihr Arbeitspensum den Umständen anpassen. Sie sprach mit ihrem Chef und ließ ihre Kunden an andere Makler transferieren. Sie musste der Tatsache ins Auge sehen, dass es für ihren Vater keine wundersame Genesung gäbe. Ihm stand ein langer Genesungsprozess bevor, während sie selbst sich auf eine lange Abwesenheit von ihrem richtigen Leben gefasst machen musste.
Jeden Tag blieb er ein bisschen länger wach, und sie begannen damit, ihn langsam vom Beatmungsgerät zu entwöhnen. Als Sadie anderthalb Wochen nach dem Unfall das Zimmer betrat, war das Beatmungsgerät verschwunden und durch eine Nasenkanüle ersetzt worden. Ihr Vater lag im Bett und schlief. Ihr wurde ein wenig leichter ums Herz, als sie zu ihm ans Bett trat.
»Daddy?« Sie beugte sich über ihn. Er hing immer noch an Monitoren und Beuteln mit isotonischer Kochsalzlösung und Medikamenten. Sein Gesicht war immer noch blass und abgehärmt. »Ich bin hier, Daddy.«
Clives Augenlider öffneten sich flatternd. »Sadie?« Seine Stimme war ein mühsames Krächzen.
Sie lächelte. »Ja.«
»Warum …« Er hustete und hielt sich mit zittrigen Händen die Seite. »Verdammte Scheiße!«, fluchte er mit seiner heiseren Stimme. »Das darf doch nicht wahr sein! Meine gottverdammte Seite steht in Flammen.«
Yolanda, deren Krankenhauskittel die Happy Rainbows und Smiley-Sonnen zierten, hatte wieder Dienst. »Mr Hollowell, möchten Sie ein Glas Wasser?«
»Ich brauche kein« – er bekam einen neuen Hustenanfall, und Sadie zuckte zusammen – »gottverdammtes Glas Wasser. Gottverdammt!«
Während sie ihm trotzdem ein Glas Wasser einschenkte, wandte sich Yolanda an Sadie. »Manche Patienten sind unleidlich, wenn sie aufwachen«, warnte sie sie. »Weil sie gestresst und desorientiert sind.«
Nein. Das war schlicht und ergreifend Clive Hollowells Naturell.
Am Montag nach der lächerlichen Aktion in dem Albtraum von Hochzeitspalast rief Vince bei einer Bank in Amarillo an und vereinbarte für zwei Wochen später einen Termin mit einem Kreditberater für Geschäftskunden. Für den Kauf des Waschsalons hatte er sich vor Jahren schon einmal Geld geborgt, weshalb er die Prozedur in- und auswendig kannte. Nur wollte er diesmal nicht das Kreditprogramm für Veteranen in Anspruch nehmen. Diesmal brauchte er mehr Bargeld, als es die Deckelung von einer halben Million hergab.
Im Vorfeld der Beratung besorgte er sich die Namen eines Geschäftsprüfers und eines Gebäudesachverständigen und vereinbarte Termine mit beiden. Er erstellte einen Businessplan und suchte seine finanziellen Unterlagen zusammen, von seinen Kontoauszügen über seine Altersvorsorge bis hin zu seinen Kapitalkonten. Er besorgte sich die Buchhaltung des Gas and Go für die letzten fünf Jahre und schickte seine Schwester in Seattle los, um seine Steuerunterlagen der letzten zwei Jahre aus dem Schuppen zu holen, in dem seine Sachen lagerten. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie ihm gleich noch ein paar Kartons mit persönlichen Sachen mitgeschickt. Vereinzelte Fotos, Orden, Abzeichen und Anerkennungsschreiben. Die Trident, die Wilsons Mutter ihm an dem Tag geschenkt hatte, als er seinen Freund begraben hatte.
Als er schließlich mit dem Schätzgutachten und dem Gutachten des Gebäudesachverständigen in den Händen die Bank betrat, war er bereit. So wie er sein Leben gern lebte. Allzeit bereit. Aber nicht wie ein Pfadfinder. Sondern wie ein SEAL. Wenn irgendetwas dem Verkauf noch im Weg stehen konnte, dann Tante Luraleens schlampige Buchhaltung. Ihre Bilanzen waren zwar das reinste Chaos, doch die Gebäudeinspektion hatte das Gas and Go mit fliegenden Fahnen bestanden. Luraleen mochte ihre Finanzen nachlässig handhaben, die Umweltauflagen erfüllte sie allerdings zu hundert Prozent. Am Gebäude selbst musste zwar einiges ausgebessert werden, aber die Benzintanks waren solide. Und dass Luraleen ihm das Geschäft für mehrere Tausend Dollar weniger anbot, als es das Schätzgutachten vorsah, machte Vince recht zuversichtlich, dass der Kredit bewilligt würde. Natürlich gab es immer Unwägbarkeiten, die das Verfahren noch verzögern konnten.
Und Unwägbarkeiten verabscheute Vince noch mehr, als jemandem etwas schuldig zu bleiben.
Während er auf die Rückmeldung der Bank wartete, brachte er so viel über das Betreiben eines Tankstellen-Shops in Erfahrung, wie er nur konnte. Er traf sich mit den Lieferanten des Ladens und lernte Luraleens Angestellte
Weitere Kostenlose Bücher