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Zeit mit meinem Ex gewohnt, aber nicht sonderlich gerne«, sagt sie und zieht dabei eine Schnute, welche erahnen lässt, dass sie ihren ehemaligen Freund in schlechter Erinnerung behalten hat.
»Glücklich bin ich da auch nicht!«, bemerke ich aufgrund der Parallele. Nun will ich alles über sie erfahren: »Und, wo arbeitest du so?«
»Ich arbeite in der Nachtschicht der Kölner Uniklinik. Dort kümmere ich mich um die Kinder auf der Onkologie.«
Mit einem schnellen Blick überprüfe ich, wo dieser Engel seine Flügel versteckt.
»Das ist aber ein harter Job, oder?«
»Ja. Es macht aber wahnsinnig Spaß. Und die Kleinen sind sehr dankbare Patienten. Und du?«
»Was?«
»Na, wo arbeitest du? Bist du selbstständig oder angestellt?«
»Ach so. Angestellt … in einer großen Werbeagentur. Macht Spaß – da ist immer was los.«
Nun setzt ein längeres Schweigen ein. Wir lächeln uns nur zu. Die Spannung scheint unerträglich. In der Luft knistert es und die ganze Zeit halten wir Augenkontakt. Bis zum Aachener Hauptbahnhof bleibt die Situation unverändert.
Beim Rausgehen spricht sie mich mit bedächtiger Stimme erneut an: »Schade. Wir werden uns bedauerlicherweise nicht mehr sehen. Ich ziehe weg nach Hamburg. Habe einen Job bei einer großen gemeinnützigen Gesellschaft angenommen.«
Welch ein kurzes Glück. Es zerspringt alsogleich in eine Million Scherben. In meinem Hirn und meinem Herzen arbeitet es. Sag was, Andreas. MACH SCHON!
»Ja, echt … traurig. Dennoch viel Erfolg!«, wieder blicken wir uns lange in die Augen. Die Stille scheint endlos, aber in echt ist sie nur ein paar Pulsschläge lang.
»Andy. Schön mit dir … gesprochen zu haben.«
»Ja. Finde ich auch«, seufze ich.
Wir strecken uns unsere Arme entgegen und stehen einfach nur bewegungslos da, um unsere Hände lange und intensiv zu berühren. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge sehen wir uns stumm an.
Als sie schließlich geht, dreht sie sich noch zweimal um. Beim ersten Mal lacht sie, beim zweiten Mal winkt sie mir traurig zu.
Unsere Wege trennen sich an Gleis Nummer acht. Unfassbar, was da eben passiert ist. Ist das möglich? Ich setze mich erst einmal auf eine grüne Drahtgitterbank im Wartebereich des Bahnsteiges und bekomme feuchte Augen. Ich versuche mir einzureden, dass es am beißenden Rauch einer alten Dampflok liegen könnte, die gerade vorbeirauscht. Doch da ist natürlich gar keine.
Vierzehntes Kapitel
War da nicht vorhin noch was?
Klick.
»Fertig. Alles hochgeladen«, sage ich zu meinem Chef, nachdem ich das letzte Mal die linke Taste meiner Maus gedrückt habe.
»Sehr gut, Andreas. Ich gehe in den Konferenzraum und werde den Leuten vom Veggie-Shop mitteilen, dass wir das System nun vorführen können.«
»Okay. Ich komme dann gleich nach!«, rufe ich Herrn Beaujean mit gespielter Freude hinterher.
Er ist weg. Ich atme erleichtert auf. Heute ist er also: der Tag meines endgültigen Versagens bei Eva sowie Tag der Präsentation und Übergabe des vollendeten Webshops. Kaum begreiflich für mich, aber doch wahr. Nach Feiern steht mir nicht der Sinn, obwohl die Zeiten der Anstrengungen vorbei sind und bald die Sektkorken knallen. Ob Sören weiß, wo es alkoholfreien Sekt gibt?
Alles ist nichtig.
Bevor ich in den Konferenzraum gehe, versuche ich noch schnell, ob ich jemanden unter der Telefonnummer aus meiner Wohnungsanzeige erreichen kann. Ganz aufgeregt wähle ich die möglicherweise schicksalsträchtige Nummer.
»Mögen die Götter der Telekommunikation meinem Ansinnen fair gegenüberstehen!«, sage ich mit viel Pathos in das Freizeichen des Hörers.
Es tutet. Dann schließlich ein Knacken in der Leitung.
»Krug. Hallo.«
»Andreas Stolle. Guten Tag Herr Krug. Ich rufe wegen Ihrer annoncierten Wohnung an. Ist die noch zu haben?«
»Ja. Die ist noch nicht vermietet. Da haben Sie Glück!«
»Ach, das ist ja toll. Kann ich mir die Wohnung ansehen? Wenn ja, wann?«
»Sie können gerne heute Abend vorbeikommen. Ich wohne im selben Haus. Passt Ihnen 18 Uhr?«
»Ja. Das ist fantastisch.«
»Nun gut, Herr … wie war Ihr Name?«
»Stolle, Andreas Stolle.«
»Okay, Herr Stolle bis heute Abend! Oh. Ehe ich vergesse. Ich wohne in der Bismarckstraße 54 – gegenüber vom Frankenberger Park.«
»Danke. Ist notiert. Tschüss, Herr Krug!«
Frankenberger Park? Also hat die Wohnung unter Umständen freien Blick auf eine Grünanlage? Zufälle gibt es nicht. Auch was Frauen angeht, gibt es keine
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