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sind diese Leute? Auch Zeitgefühl habe ich keines mehr. Auf einmal klingelt mein Telefon. Lea hebt für mich ab.
»Das ist Herr Beaujean. Seit fünfzehn Minuten warten die jetzt schon auf Dich. Du musst gehen!«, sagt sie nach Beendigung des kurzen Gesprächs.
»Das arme kleine Eva-Würstchen«, brabbele ich vor mich hin.
Nun haut Lea mir auch eine runter. Irgendwie mag ich das und bekomme Angst, dass ich vielleicht einer dieser perversen Masochisten sein könnte. Aber sie hilft mir. Ich werde klarer.
»O-O-Okay. Ich gehe jetzt zum Tofu-Metzger um die Ecke. Das Shopsystem will ja gut präsentiert werden, nicht wahr. Hihihi«, gebe ich mit hoher Stimme zur Antwort.
Lea, Moss Man, Ralf und der Rest der Belegschaft, die um mich herumstehen, gucken mich mit seltsamen Gesichtsausdrücken an. Langsam schlurfe ich in Richtung des Konferenzraums.
Als ich die Tür öffne, sehe ich mit rot unterlaufenden Augen, dass kein Geringerer als Perry anwesend ist.
»Da sind Sie ja wieder, Andreas. Meine Güte, wie sehen Sie denn aus? Setzen Sie sich. Wollen Sie ein Glas Wasser?«, fragt mich Herr Beaujean gekünstelt.
»Ich will lieber ein Tofu-Würstchen!«, sage ich knapp und ziehe meine Baseballkappe vom Schädel, um mir den Schweiß von der Stirn zu wischen. Dabei kratze ich mir allerdings meine Baugrubenverletzung auf und bemerke, wie warmes Blut an meinem Gesicht herunterrinnt.
Entsetzte Gesichter stieren in meine Richtung. Nur Perry guckt leicht schadenfroh drein.
»Eva … Tofu-Würstchen in roter Spitzenunterwäsche«, äußere ich wie unter dem Einfluss von einem Kilogramm LSD.
»Herr Stolle. Ich weiß nicht, was Ihnen passiert ist, aber Herr Wittig war so nett und hat das kleine Serverproblem gelöst. Er hatte noch ein Back-up auf seiner Festplatte. Warum kann ich mir allerdings nicht erklären – schließlich sollte das Projekt doch geheim sein«, berichtet mir Herr Beaujean übellaunig.
»Also, Eva, das kleine, süße Tofu-Würstchen lebt noch?«, frage ich und verdrehe dabei die Augen, sodass man nur noch das Weiße darin sehen kann.
»Ja, alles in Ordnung«, sagt Herr Beaujean nun mit gespielt beruhigender Stimme eines Irrenarztes.
Die Welt um mich herum dreht sich. Ist es denn die Möglichkeit? Wie eine dieser hysterischen Frauen in alten Stummfilmen verliere ich zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit das Bewusstsein … Ich sollte wohl doch einmal zum Arzt gehen …
Fünfzehntes Kapitel
Schicksale
Unfallchirurg? Also unser Haustechniker Louis kann mir viele Sachen erzählen, jedoch klingt diese Geschichte so unglaubwürdig, dass man sie nur als weiteren Beitrag zum Tag des schlechten Witzes – Scherzes werten kann.
»Doch. Es stimmt, O-Ondre. In Polen war ich Unfallchirurg. Ich möchte sehr g-gutt gewesen sein. Aber als ich mit meine Polski-Fiat und chundert Sachen in Laittplanke gefahren bin, chab ich zwai Fingers verloren. Ich musste aufchören. Unt dann bin ich nach Deutschlant gekommen, um mein Glück hier zu versuchen. Und chier – bin ich nur Hausmeister – ich maine Haustechniker .«
Ungläubig gucke ich Louis in die Augen. Ich sitze in seinem Allerheiligsten: der Werkstatt. Eigentlich ist es nur ein kleiner feuchter Kellerraum mit ein paar alten durchgefurzten Sesseln und einem klapprigen Holztisch, aber für Louis ist es seine Werkstatt. Vor einigen Wochen hatte ihm die Belegschaft zum Dienstjubiläum extra ein Schild für seinen Kultraum anfertigen lassen. Stolz wie Oskar hatte er sich das Schild an die Tür geklebt.
Ich nehme einen Schluck aus einer glühend heißen Tasse Kamillentee, die mir Colonel Scatmans Frau vorhin aus der gemeinsamen Dienstwohnung gebracht hat. Die kräuter-geschwängerte warme Flüssigkeit durchströmt meinen Körper und ist gut für Seele und Geist.
» Autsch. « Louis legt mir gerade einen neuen Verband für meine Stirnwunde an. Wie er mit der Mullbinde und dem Leukoplast hantiert, sieht es wirklich so aus, als ob er wüsste, was er da tut.
»Weißt du, es war schwer für meine Frau Natascha und mich. Aber wir möchten immer v-v-versucht haben, aus allem das Beste zu machen. Und wir sind trotzdem glücklich«, fügt er seinen Ausführungen hinzu.
»Warum heißt du dann Louis und hast einen französischen Pass?«, frage ich mit offensichtlicher Skepsis.
»Wer hat behauptet, dass ich wirklich Louis heiße. Das war mein Deckname beim KGB!«, flüstert er mir ins Ohr.
Ich verschlucke mich beim Teetrinken. Louis beginnt zu lachen.
»HAHA. War nur
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