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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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Telefon hing und kicherte. Heute wusste er, dass sie damals mit ihrer Oma telefonierte, die unbedingt wissen wollte, wie gut ihre Torte angekommen war. Oma Amalia hatte eine Gabe, all ihre Liebe in diese Torte hineinzubacken und im Laufe der zwei Jahre wurde die Maraschino-Torte immer besser, denn zu ihrer Liebe für Selena kam die Liebe zu Timo hinzu.
    Aber auf all das musste Timo heute Abend verzichten, denn seine ersten beiden Entwürfe hatte Langer abgelehnt. Vermutlich immer noch aus Frust darüber, dass seine Eroberungskünste bei der liebreizenden Chantal aus Bad Reichenhall versagten. Und nun ließ er seinen Ärger an Timo aus.
    »Wieder nichts?«, fragte Chantal, als Timo mit hängenden Schultern aus Langers Zimmer kam.
    Timo schüttelte den Kopf.
    »Zeig mal her!« Sie nahm ihm die Ausdrucke aus der Hand. »Wahnsinn. Der Olanger ist wahnsinnig, dass er das nicht nimmt. Wenn meine Entwürfe nur halb so gut wären, ich wäre längst Kreativdirektorin in New York!«
    »Ja, du machst es richtig, du lässt dir nichts gefallen von diesem Sackgesicht. Du wirst Kreativdirektorin in New York, Chantal. Aber ich bleibe ewig der Pappenkleber vom Olanger in der Weltagentur SCP in Starnberg.«

     
    Und da fiel es ihm wieder ein, was er vorhin beim Telefonieren bemerkt hatte. Er spürte, wie Selena darunter litt, dass er sich in der Agentur zum Knecht machte. Sie war so stark mit ihm verbunden, dass ihr Timos Beruf körperliche Schmerzen bereitete. Er würde das locker noch lange aushalten. Aber ob auf Selena das Gleiche zutraf? Er musste jetzt den Job so problemlos wie möglich erledigen. Vor allem aus Rücksicht auf Selena. Und dann wollte er nach Hause, vielleicht konnten sie ja doch noch ein wenig feiern. Es war ja erst neun Uhr.
    »Ich geh’ jetzt eine Stunde ins ›Strandhouse‹ essen, wenn ich wiederkomme will ich alles so haben, wie besprochen, klar?«, sagte Langer im Rausgehen zu Timo, ohne ihn wirklich anzusehen. Und zu Chantal: »Willst du nicht mitkommen, Schätzchen? Ich lade dich ein!«
    »Naa, i muaß doch abnehma!«, sagte Chantal vollkommen desinteressiert, und dann packte sie mit beiden Händen von unten an ihren Busen und meinte: »Die zwei da sind viel zu dick!«
    Langer betrachtete das natürlich als Einladung: »Finde ich gar nicht, darf ich mal?«
    Chantal funkelte ihn an und antwortete ganz unerwartet im kältesten Hochdeutsch, das Timo jemals gehört hatte: »Nein, darfst du nicht, Olanger. Träumen darfst du, Olanger! Und auch nur, wenn ich es erlaube. Und jetzt geh’ essen und stör uns nicht bei der Arbeit.«
    Chantal kostete den Schutzschirm, den der alte Schneidervater über ihr aufgespannt hatte, wirklich bis zum Äußersten aus.

     
    Als Langer gegen elf Uhr wieder zurückkam, war er blau und immer noch wütend. Chantal war in der Agentur geblieben und hatte Timo geholfen, die Layouts fertigzugestalten und dann die zehn farbigen Ausdrucke auf die großen, hellgrauen Präsentationspappen aufzuziehen. Mit weißen Baumwollhandschuhen hatten sie gearbeitet, um Fingerabdrücke auf der empfindlichen Oberfläche zu vermeiden, die die Entwürfe makellos und unwiderstehlich aussehen lassen sollte. Sie konnten wirklich stolz sein. Wäre der alte Schneidervater noch in der Agentur gewesen, hätte er: › Bravo, Kinder, ich danke euch! ‹ gerufen. Aber er war leider nicht da. Und auch ansonsten war um diese Zeit niemand mehr in der Agentur, die Putzmannschaft rückte immer erst morgens um sieben an.
    Sie hatten die Pappen im großen Besprechungszimmer in der Blutrinne platziert, so nannte man intern die brusthohe Leiste in der Wand, in die die Pappen senkrecht gestellt werden konnten, ohne umzukippen. Hier wurden die Pappenschlachten geschlagen, hier floss das Blut, hier starben tausendfach Ideen. Es herrschte Krieg und selten Frieden auf dem Parkettboden. Doch der Tag der Entscheidung war erst übermorgen, jetzt musste nur noch Langer seinen Segen geben, dann wollte Timo nach Hause.
    »Was soll denn das sein?«, herrschte Langer die beiden an. »Hab’ ich euch gesagt, ihr sollt schon Pappen aufziehen? Layouts fertigmachen, ausdrucken, hab’ ich gesagt. Und überhaupt, Chantal, wieso bist du denn noch da! Den Scheiß hat Timo verbockt, der soll ihn auch ausbaden! – Scheiß!«, sagte Langer zur ersten Pappe. Er hob sie mit spitzen Fingern aus der Blutrinne und ließ sie fallen. Sie landete genau mit der Ecke auf dem

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