Werke
sitzen geblieben als an anderen Abenden, und hatte es abgelehnt, daß man ihm noch etwas in sein Glas einschenke. Jetzt stand er auf, lüftete seine Haube und sagte: »Leben Sie wohl, genießen Sie der Ruhe, und gehen Sie morgen recht eifrig wieder an Ihre Geschäfte.«
»Ich wiederhole noch einmal meinen Dank für die Zeit, welche Sie mir geschenkt haben,« sagte ich, »für die Mitteilungen, und wünsche Ihnen gute Nachhausekunft und eine glückliche Nacht.«
»Amen«, sagte er, und ging den Hügel hinunter, ich hörte noch seinen Wagen fortfahren, und stieg dann die Treppe zu meiner Kammer empor.
›Nun, das wär doch das Teufelmäßigste,‹ sagte ich zu mir selber, ›wenn ich zu diesen tollen Roderern gehörte! Warum habe ich ihm denn nicht gesagt, daß ich Roderer heiße?‹
Ich ging in mein Bett und schlief mit all den Vettern und Muhmen ein, die mir vielleicht nach Roderers Erzählung zugehören konnten.
Was das Zerstreutsein der Roderer in der Welt anbelangt so trifft dieses bei uns so gut ein, wie bei den Roderern des Herrn Peter Roderer. Mein Vater ist erst von Siebenbürgen nach Wien übergesiedelt; der eine Oheim wohnt in Mähren, der andere ist auch erst kurz in Wien, und der Großoheim hat die vielen Hasen alle in Schlesien geschossen. Ich selber bin noch gar kein Ansässiger, indem ich seit der Zeit meiner Großjährigkeit, oder eigentlich schon seit jener Zeit, als ich die Landschaftsmalerei zu betreiben begonnen habe, am wenigsten bei meinen Eltern in Wien, am häufigsten aber an verschiedenen anderen Stellen gewesen bin, wie ich ja jetzt eben auf einem kargen, graugrünen Hügel sitze, der an dem Lüpfinger Moor steht, einen Apfelbaum und ein kleines Wirtshaus trägt, und auf den ein mittelgroßer, kurz weißhaariger und kurz weißhaariger Mann hinaufsteigt, und eine Geschichte von Roderern erzählt. Ich muß mich doch auch jetzt um meine Roderer erkundigen; ich habe diesen Zweig der Wissenschaften bisher schändlich vernachlässigt, um meine Roderer mit den Roderern des Herrn Peter Roderer vergleichen zu können.
Es war sehr merkwürdig, daß am andern Tage, als mir Roderer gesagt hatte, ich werde mein Malen aufgeben, die Arbeiter kamen, um mir ein Blockhaus auf dem Lüpfhügel zu bauen. Ich hatte nämlich dem Lüpfner Wirte ein Stück Grundes abgekauft, um in einem Blockhause nebst einem kleinen Schlafgemache ein sehr großes Zimmer zu errichten, daß ich in demselben mein großes Bild malen könnte, wozu mir ein Kämmerlein des Wirtes viel zu klein wäre. Ich wollte nämlich, so wie der Heldendichter Peter Roderer, die wirkliche Wirklichkeit darstellen, und dazu die wirkliche Wirklichkeit immer neben mir haben. Freilich sagt man, es sei ein großer Fehler, wenn man zu wirklich das Wirkliche darstelle: man werde da trocken, handwerksmäßig, und zerstöre allen dichterischen Duft der Arbeit. Freier Schwung, freies Ermessen, freier Flug des Künstlers müsse da sein, dann entstehe ein freies, leichtes, dichterisches Werk. Sonst sei alles vergeblich und am Ende – das sagen die, welche die Wirklichkeit nicht darstellen können. Ich aber sage: warum hat denn Gott das Wirkliche gar so wirklich und am wirklichsten in seinem Kunstwerke gemacht, und in demselben doch den höchsten Schwung erreicht, den ihr auch mit all euren Schwingen nicht recht schwingen könnt? In der Welt und in ihren Teilen ist die größte dichterische Fülle und die herzergreifendste Gewalt. Macht nur die Wirklichkeit so wirklich wie sie ist, und verändert nicht den Schwung, der ohnehin in ihr ist, und ihr werdet wunderbarere Werke hervorbringen, als ihr glaubt, und als ihr tut, wenn ihr Afterheiten malt und sagt: Jetzt ist Schwung darinnen.
In Wien ist eine Landschaft. Vorne geht über Lehmgrund ein klares Wasser, dann sind Bäume, ein Wäldchen, zwischen dessen Stämmen man wieder in freie Luft sieht. Der Himmel hat ein einfaches Wolkengebäude. Das ist mehrere hundert Millionen Male auf der Welt gewesen, und doch ist die Landschaft die gewaltigste und erschütterndste, die es geben kann. Ich werde mein Moor in meinem Blockhause malen. Die Arbeiter, die ich schon lange erwartete, sind gekommen, und die Arbeit hat begonnen. Ich habe einen Baumeister aus der Gegend genommen, der nach meiner Zeichnung baut, und habe ihm Auftrag zum Kaufe trocknen Bauholzes gegeben. Das Glashäuschen im Angesicht des Dachsteins habe ich nicht erbaut; aber ein Blockhaus im Angesichte des Lüpfinger Moores erbaue ich.
An dem Tage nach dem
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