Werwelt 03 - Der Nachkomme
nähert sich etwas, das schon jetzt die kommenden Tage und Näc h te verändert. Aber noch kann ich nicht sagen, was es sein wird, und es fühlt sich nicht gefährlich an.
Ich wälze mich im Sand, um die Fremdheit abzuschü t teln und wieder ganz zu werden. Die feinen Körnchen dringen durch mein Fell bis auf die Haut vor und verurs a chen einen angenehmen Juckreiz. Ich wälze mich hin und her, während ich mit den Beinen strample und meinen Kopf herumwerfe wie ein Jungtier; dann stehe ich auf und schüttle mich, so daß die Sandkörner nach allen Richtu n gen fliegen. Was immer auch kommen mag, es wird sich zur Zeit ankündigen. Im Osten, draußen über dem Meer, sehe ich den Himmel erbleichen. Ich wende mich wieder der Stadt zu.
3
B fuhr zum Rio Grande Boulevard hinüber und bog links ab. Er wollte Johnny Strong Horse im Haus eines Verwandten in Alameda abholen, und von dort aus wollten sie auf der Route 44 in Richtung J e mez fahren. Der Tag war strahlend blau und klar, doch hoch oben im Osten hing ein unhei l schwangerer Dunst am Himmel, ein schwach gelber Hauch, der den nordöstlichen Himmel über den Sandias trübte. Da zieht so ein verdam m ter Staubsturm auf, dachte er, und spürte einen Anflug von Mißmut. Wenn ’ s schlimm wird, werden wir ganz schön Mühe haben auf der Fahrt.
Das Haus in Alameda war eine kleine Lehmhütte, u n verputzt, über deren Haustür und einzigem Fenster schiefe Balken herausragten. Sie sah aus, als löste sie sich langsam wieder in den schlammigen Lehm auf, aus dem sie erbaut war. Eine wacklige, mit Fliegengitter bespannte Tür öffnete sich, und Johnny trat heraus, blaues Hemd, Jeans, schwa r zen Cowboyhut in der Hand, rotes Band um den Kopf, um das Haar zu halten. Sehr Navajo an diesem Tag. Er sah aus wie jeder beliebige Indianer im Reservat, dachte Barry, während er die hohen, kantigen Wangenknochen betracht e te, den reglosen, breiten Mund, die dunklen Augen, die im Augenblick ohne Au s druck waren.
Johnny warf einen alten Strohkoffer auf den Rücksitz und stieg ein.
»Wir kriegen Staub«, bemerkte er mit einem Blick zum Himmel.
»Ich kann nur hoffen, daß er hinter uns runtergeht«, ve r setzte Barry, während er auf die US 85 hinausfuhr und nach Norden zuhielt. Beim Wegweiser nach Coronado b o gen sie links ab, um auf die holprige geteerte 44 zu ko m men, die in nordwestlicher Richtung den dunkelblauen Gipfeln des Jemez-Gebirges zustrebte. Tiefhängende Wo l ken verschmolzen mit den Berggipfeln, so daß man nicht sagen konnte, wo die Erde aufhörte und der Himmel b e gann. Barry machte sich auf eine lange Fahrt gefaßt, ve r suchte, eine Geschwindigkeit von etwa fünfunddreißig zu halten, stellte jedoch fest, daß es sich auf dieser elenden Straße bequemer fuhr, wenn man es etwas gemächlicher nahm. Eine ganze Weile fuhren sie schweigend, während die Straße allmählich immer direkter nordwärts führte, bis sie schließlich genau der sich nähernden gelben Wolke entgegenfuhren, die jetzt deutlich sichtbar wie eine gigant i sche Staubwand vor ihnen stand, meilenweit in die klare Morgenluft hinaufragend.
»Dabei haben wir doch heute morgen kaum Wind«, schrie Barry über das Brummen des Motors und das Kla p pern der offenen Fenster hinweg. »Ich möchte wissen, was diesen Sturm vorwärtstreibt!«
»Die Bodenspekulanten von Texas«, rief Johnny, wä h rend er auf die näherrückende Wand gelblicher Finsternis blickte, die die Morgensonne ausblendete. »Der Staub wird da drüben in Texas und Oklahoma aufgewirbelt, und vie l leicht ist oben doch eine ganze Menge Wind. Manchmal kommt der Staub auch ganz ohne Wind, wie ein Riese n stück gegerbte Haut, das über eine Trommel gezogen wird.«
»Wir haben hier unsere eigene Staubmulde«, meinte Barry, nur um Konversation zu machen.
»Die hatten wir lange vor den Okies«, versetzte der I n dianer.
Der Morgen färbte sich gelb, als die Wolke, die jetzt über den halben Himmel zog, die Sonne verschleierte. Vo l ler Bedauern dachte Barry an den lachenden Himmel z u rück, unter dem sie losgefahren waren. Jetzt war nichts d a von übrig. Nun ja, da blieb einem nichts anderes übrig, als wütend mit den Zähnen zu knirschen, dachte er und grinste dann. Die würden bald von selbst knirschen, wenn die Wolke da oben sich entlud.
Sie waren noch kaum eine Stunde auf der holprigen Straße dahingerumpelt, als der erste Staub zu fallen b e gann. Wie Nadelstiche brannten die Körnchen, die wie von boshaften Fäusten
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