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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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hinausgeschoben hatte, aus Angst davor, was er vielleicht entdecken würde. Er versuchte wieder, seinen Körper zu verlassen. Er las bis spät in die Nacht hinein, bis ihm die Augen brannten, und er sich ausstrecken und ruhen mußte. Er schaltete das Licht aus, streckte sich auf dem Rücken aus und begann sich zu entspannen. Während er tief atmend dalag, locker am ganzen Körper, drang die Leichtigkeit in seine Glieder ein, strömte mit jedem Ate m zug in ihn hinein wie ein leuchtender Dunst, so daß aus seinem Körper ein Gefäß für irgendeine luftige Flüssigkeit zu werden schien. Als das Gefühl, angefüllt zu werden – oder geleert, dachte er ruhig, und der Gedanke schwebte langsam und schläfrig durch seinen Geist –, vollständig war, wollte er sich auf die Seite drehen, um seinen Körper zu verlassen. Statt dessen schoß er plötzlich aufwärts oder vielmehr nordwärts, da das Kopfende seines Bettes nach Norden stand, durch die Decke seines Schädels hinaus. Der schimmernde › ätherische ‹ Körper, wie er ihn sich vorstel l te, schoß durch seine Schädeldecke, durch das Kopfbrett des Betts, durch die Backsteinwand in die Nacht hinaus und schwebte etwa fünf Meter über der Straße, ehe er das Gefühl hatte, wieder die Kontrolle zu haben.
    Diesmal fühlte er sich nicht gänzlich behaglich. Er sah die Dinge irgendwie verzerrt und verwischt, so als pulsie r ten Hitzewellen in der Luft rund um ihn herum, obwohl es draußen eiskalt war, wie er wußte. Er blickte auf die Stadt hinunter, während er sich langsam emportragen ließ, doch die Landschaft schwankte und waberte in seinem Blickfeld. Es ist so, als sähe ich nicht mit den Augen, dachte er, so n dern mit irgendeinem anderen Sinn, und als lägen heute Nacht Strömungen in der Luft. Er versuchte, nicht auf die flimmernde Landschaft zu achten, und sagte mit aller Kraft Lillys Namen. Er wurde mit solcher Plötzlichkeit in die Schwärze hineingerissen, daß er glaubte, es hätte ihn in sein dunkles Zimmer zurückgeschleudert, doch hüllte ih n das inzwischen vertraute heulende Brausen ein, das G e fühl, sich mit rasender Geschwindigkeit fortzubewegen, und dazu eine Angst, die neu und beklemmend war.
    Am Ende der Reise befand er sich wieder in dem ski z zenhaften Raum, dessen Wände nur angedeutet und dessen Boden unsichtbar war. Und an der Wand stand wieder der Stuhl, auf dem Lilly saß, noch immer schlafend, den Kopf leicht nach vorn geneigt. Doch es war ein Unterschied da, bei dem Bo das Herz im Leibe sprang. Ein schwaches L ä cheln schwebte um ihre Lippen, und eine Hand lag geöf f net auf dem blauen Rock. Sie schlief noch, doch sie hatte sich gerührt. Wieder versuchte er, näher an sie heranz u kommen, weil etwas auf der offenen Hand lag. Und wieder überkam ihn das traumhafte Gefühl von Frustration, wä h rend er sich abmühte, näher zu ihr hinzukommen. Er blieb still stehen, ließ Ruhe in seinen Geist einkehren und spähte schärfer zu ihr hin, um zu sehen, was sich auf ihrer offenen Handfläche befand. Anfangs konnte sein flimmernder Blick es nicht erkennen, doch als er sich auf die Klarheit dieses einen Teils seines Gesichtsfelds konzentrierte, g e lang es ihm, es klar zu sehen und sogar in einer Art Ve r größerung näher an sich heranzurücken.
    Auf Lillys offener Hand lag ein silberner Ring mit e i nem beinahe quadratischen Türkis in silberner Fassung. Bo strengte jede Phase seines Willens an, um den Ring näher zu rücken, denn er schien auf seiner Innenseite eine I n schrift zu tragen. Doch der Schmuck blieb zu weit entfernt, er konnte das Geschriebene nicht erkennen. Der Stein war ein typischer Türkis, von einem bläulichen Grün und ro h geschliffen. Er war seltsam gezeichnet für einen Schmuc k stein, dachte Bo, während er sich anstrengte, das Muster zu erkennen, das aus irgendeinem Grund von Bedeutung zu sein schien. Die ständige Anstrengung machte ihn allmä h lich sehr müde, und er wußte, daß er Kraft vergeudete. Endlich jedoch gelang es ihm, den Stein nahe an sich h e ranzurücken: Er war grün und braun gefleckt und trug in einer Ecke eine auffallende Zeichnung. Die Zeichnung sah aus wie eine grobskizzierte Pfeilspitze, die zur Mitte des Steins wies. Er strengte sich noch mehr an, um auch die Inschrift auf der Innenseite des Rings lesen zu können. Sie stand plötzlich klar vor ihm, doch in diesem Augenblick spürte er, wie seine Kraft mit einem hörbaren Geräusch zerriß. Lilly, das skizzenhafte kleine Zimmer und der

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