Werwolf-Spuk
einfach herrlich, dies zu sehen. Man hätte auch von einem schaurig-schönen Gemälde sprechen können.
Das gelbe Auge leuchtete weiter und spendete Kraft. Maxine war trotz ihrer Lage von diesem Bild fasziniert. Ihr eigenes Schicksal hatte sie zurückgedrängt. Sie wartete darauf, dass etwas passierte, denn wer sich so präsentierte, der wartete auf die Verwandlung.
Noch war der Körper hell. Noch sprossen keine Haare aus den Poren, die sich zu einem Fell verdichten würden. Sie schien den Mond mit all seinen Folgen anzubeten. Sie wartete darauf, dass mit ihr etwas passierte, aber es tat sich nichts.
Für eine Weile behielt sie ihre Haltung bei. Dann senkte sie plötzlich den Kopf. Auch ihre Haare bewegten sich und fielen wie ein Vorhang vor ihr Gesicht.
Wahrscheinlich war es ihr nicht möglich, durch die Lücken zu schauen, bis sie den Kopf wieder zurückschleuderte und dabei einen wilden Schrei ausstieß.
Nicht eben laut, dafür wütend.
Sie sprang von ihren Wölfen weg und war plötzlich durcheinander. Auf der Stelle lief sie herum. Schaute in den dunklen Himmel, stieß ihre Faust nach oben.
Maxine wusste nicht, warum sie sich so verhielt. Für sie war nichts mehr nachvollziehbar. Die Dinge veränderten sich jetzt rasend schnell. Sie spürte den Wind von oben, und dann hörte sie eine helle Kinderstimme, die ihr etwas zuschrie. »Maxine – Achtung!«
Die Tierärztin hob den Kopf.
In diesem Augenblick war Carlotta bei ihr!
Das Vogelmädchen hatte sich bewusst zurückgehalten, um den günstigsten Zeitpunkt zu erwischen. In einer bestimmten Höhe, aus der sie noch etwas erkennen konnte, war sie über dem Ort des Geschehens gekreist. Sie hatte alles mitbekommen und suchte nun nach einer Möglichkeit, so effektiv wie möglich einzugreifen.
Zum Glück lenkte das Verhalten der Morgana Layton die vier Werwölfe und auch die beiden normalen Tiere ab.
Aber die Nackte merkte, dass etwas nicht stimmte, wie ihr das gelungen war, wusste Carlotta nicht. Für sie stand nur fest, dass sie sich jetzt beeilen musste.
Carlotta flog in die Tiefe.
Dabei bewegte sie ihre Schwingen, und das lief nicht lautlos ab. Das Geräusch war nicht nur für Maxine Wells zu hören, auch die Werwölfe reagierten und hoben ihre Köpfe an.
Noch waren sie unsicher und wussten nicht, was über ihnen ablief. Aber sie würden nicht lange brauchen, um es zu erkennen, und da wollte Carlotta alles hinter sich haben.
»Maxine – Achtung!«
Die Tierärztin reagierte perfekt. Irgendwie waren die beiden ja zu einem eingespielten Team geworden. Da konnte sich jeder auf den anderen verlassen.
Carlotta raste in den Kreis hinein wie eine Bombe, die völlig überraschend gezündet worden war. Die vier Bestien zuckten zurück, und Carlotta wusste, dass sie jetzt verdammt schnell sein musste, um Maxine aus der Gefahrenzone zu retten.
Mit beiden Händen fasste sie zu. Sie ließ sich dabei zurücksinken. Kaum hatten ihre Füße den Boden berührt, da startete sie schon wieder. Sie schwang ihre Arme in die Höhe, die zu Flügeln geworden waren, und sie gestaltete die Bewegungen so kräftig wie möglich, da sie noch eine schwere Last zu tragen hatte.
Sie kam hoch.
Und die Tierärztin ebenfalls!
Das konnte Maxine kaum glauben, als sie plötzlich keinen Boden mehr unter ihren Füßen spürte. Dafür sah sie das Gesicht ihrer Ziehtochter dicht vor sich, und sie spürte auch den Wind, der in ihr Gesicht schlug.
Das Geräusch, das ihre Ohren erreichte, klang wie ein scharfes Bellen. Die beiden normalen Wölfe hatten versucht einzugreifen. Sie sprangen den beiden Flüchtenden so hoch nach wie möglich, aber ihre Schnauzen schnappten ins Leere, und die schlagenden Pfoten fanden ebenfalls kein Ziel. Carlotta stieg so weit wie möglich mit ihrer ›Beute‹ in die Höhe. Sie musste sie nur weg aus der Gefahrenzone.
Maxine dachte nicht nur an sich selbst. »Ist John eingetroffen?«, rief sie gegen den Wind an.
»Ja.«
»Und wo ist er?«
»Irgendwo dort unten...
***
Dort steckte ich tatsächlich. Und ich wusste auch, dass vor mir etwas passiert war. Die entsprechenden Geräusche hatte ich einfach nicht überhören können. Ich kannte sie. Nicht zum ersten Mal kämpfte ich gegen Werwölfe. Dazu gehörte das Schreien oder Heulen in der Nacht. Die verbissene Suche nach Opfern, und die schien für sie erfolgreich gewesen zu sein.
Noch kämpfte ich mich durch den Wald. Hätte es einen schmalen Weg gegeben, wäre ich schneller gewesen, so aber hatte ich meine
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