Werwolfkind (German Edition)
er nicht täte, was ihm aufgetragen würde.«
Der untersetzte Mafioso, er hatte ein Gesicht wie ein Kinderschreck, was durch die Schwärze noch unterstrichen wurde, sprach weiter.
»Adolfo schlich sich in die Gewölbe, obwohl der Marchese, mit dem es selbst nicht geheuer ist, es ihm strengstens verboten hatte. Er sprach mit Benito.«
»Er hat mit einem Wolf gesprochen?«
»Frag mich was Leichteres, Cretino - Dummkopf. Bin ich ein Werwolfsexperte? Jedenfalls steckte Benito, der tatsächlich mit einem anderen Werwolf da unten gefangen gehalten wird, Adolfo einen Kassiber zu. Den erhielt unser Don. Daraufhin setzte er uns in Marsch. – Benito berichtete auch von dem Geheimgang. Es ist ein Gang noch aus der Zeit der Condottieri.«
»Scheiß auf deinen Geheimgang. Soll ich mich durch die Erde wühlen? Ich finde hier keinen.«
Ricardo wusste, dass es diesen Gang gab. Er hatte die letzten Monate nicht mehr an ihn gedacht. Ich hätte den verfluchten Gang längst zumauern lassen sollen, dachte er.
Während der Marchese noch überlegte, ob er gleich eingreifen und auf die zwei Mafiosi losgehen sollte, was nicht ungefährlich war, triumphierte der Kleinere.
»Da ist der verfluchte Gang. Los, hilf mir, die Ranken zur Seite zu schieben.«
Die beiden Männer plagten sich und schufen einen Zugang, wobei sie sich zerkratzten. Um die Ranken zur Seite zu schieben gebrauchten sie auch die Hellebarde.
»Da ist eine massive Bohlentür, mit eisernen Angeln beschlagen«, sagte der Größere. »Gib mir den Schlüssel.«
Der Stämmige gehorchte. Er griff an der MPi vorbei und zog einen großen Schlüssel aus der Tasche. Den mussten sie von Adolfo haben. Ricardo konnte dem ungeschlachten Hausburschen und Mann fürs Grobe in seinem Castello nicht einmal gram sein. Er kannte die Methoden der Mafia.
Mit einiger Mühe drehte der Größere den Schlüssel im Schloss. Adolfo musste es geölt und imprägniert haben. Normalerweise hätte es völlig verrostet sein müssen. Die beiden Männer stemmten sich gegen die massive Tür. Sie warfen sich dagegen.
»Verflucht, ich hab mir die Schulter geprellt.«
»Sei kein Weichling. Wir müssen hinein.«
Die beiden bemühten sich weiter. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit gewesen, sie anzugreifen. Doch Ricardo wartete ab. Vielleicht erfuhr er noch mehr. Sie waren recht redselig. Auch konnte er es sich nicht verkneifen, sie bis in Benitos Nähe zu lassen, dessen Wolfsgeheul schaurig wieder aus dem unterirdischen Gang drang. Dann wollte er seinen Triumph auskosten, dass er sie außer Gefecht setzte und Benitos Befreiung vereitelte.
Dafür, dass sie nicht wiederholt werden konnte, wollte Ricardo sorgen.
Als sich die beiden abermals mit aller Kraft ächzend gegen die Tür stemmten, ging sie endlich nach innen auf. Die Bohlentür kreischte schrill in den rostigen Angeln. Ein Schwall muffiger Luft drang aus dem Korridor. Wolfsgeheul schallte heraus wie aus einem Schalltrichter.
Der größere Gangster wedelte sich vor der Nase.
»Pfui, das stinkt. Riechen Werwölfe immer so? – Und wo mag der Marchese sein? Mit dem ist es nicht geheuer. Er soll selbst mal ein Werwolf gewesen sein, von einer harmlosen Art allerdings.«
»Gibt es denn das? Friedliche Werwölfe?«
»Don Fabiano erwähnte, dem Marchese dürften wir nicht trauen. Wenn er uns in die Quere käme…«
Der Mafioso fuhr sich mit der flachen Hand über die Kehle. Ricardo hatte genug gehört. Ein Komplott war im Gang. Er folgte den beiden Gangstern, als einer von ihnen mit der Stablampe in den unterirdischen Korridor leuchtete. Ricardo bewegte sich lautlos, und er hielt Abstand.
Denn immer wieder schauten die beiden sich um. Die Tür zum Geheimgang hatten sie offen gelassen.
*
Ricardo schlich hinterher. Die Mauern des jahrhundertealten Gangs waren uneben, feucht und stellenweise mit Salpeter bedeckt. Wurzeln drangen aus Mauerspalten hervor. Der Gang war einsturzgefährdet. Stellenweise waren schon Mauersteine herausgebrochen oder lagen Staubhäufchen von zerbröckelndem Stein und Mörtel. Die Vorgänger der di Lampedusas, jenes Geschlecht, das von zwei Generationen ausgestorben war, waren zur Zeit der Condottieri berüchtigte Raubritter gewesen.
Sie hatten Muzio Attendolo Sforza, Andrea Doria, der es hernach zum Kaiserlichen Admiral brachte, und den wütigen Cesare Borgia persönlich gekannt und in wechselnden Konstellationen mit ihnen oder gegen sie gekämpft. Die Lampedusas waren von neuerem Adel.
Der Schein der Stablampe
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