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Werwolfkind (German Edition)

Werwolfkind (German Edition)

Titel: Werwolfkind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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Agitatoren ins Dorf geschickt. Sie setzten Gerüchte in die Welt und heizten die Stimmung an. Michele Montalba, Francescas Vater, fiel auf, dass hinter seinem Rücken getuschelt wurde, wenn er in der Taverne im Freien beim Wein saß. Wenn er die Tuschler anschaute, verstummten sie und schauten weg. Doch die Männer schauten immer wieder zu dem Castello hin, das sich auf dem Berg gegen den Abendhimmel abhob.
    Man sah dort Licht schimmern.
    Michele, der außer am Sonntag immer seine abgetragene Arbeitskleidung anhatte, trat an einen Tisch, an dem bei den Männern aus dem Dorf San Clemente zwei Fremde saßen. Sie wirkten nicht sehr vertrauenerweckend. Der eine hatte einen dünn ausrasierten Oberlippenbart, der andere war sehr breitschultrig und wies eine Stülpnase und wulstige Lippen auf.
    »Habt ihr was?«, fragte Michele Montalba. »Passt euch was nicht? Gibt es Probleme mit dem Schloss oder wegen meiner Tochter, der Marchesa Lampedusa?«
    Der Breitschultrige mit den Wulstlippen stand auf. Er war wie der andere teuer gekleidet. Mit den glänzenden Lackschuhen, der schweren Rolex am Handgelenk und der dicken Goldkette unter dem offenen Hemd stach er deutlich von den einfachen Dorfbewohnern ab. Michele wusste, dass die beiden im Gasthaus wohnten und mit einem Lancia gekommen waren, der ein echter Protzschlitten war.
    »Ich hörte, deine Tochter hätte einem Werwolfbastard das Leben geschenkt«, sagte der Breitschultrige in einem anderen Dialekt als in dem der Gegend.
    Michele wendete sich scheinbar ab. Im nächsten Moment haute er dem Breitschultrigen eine so gewaltige Ohrfeige herunter, dass er taumelte. Der kalabrische Bauer setzte nach. Er warf den Tisch um und schlug auf den benommen Taumelnden ein.
    Michele Montalba hatte keine Nahkampfausbildung und verstand nichts vom Boxen. Doch von der schweren Arbeit auf dem Feld und auf seinen Äckern von klein an waren sie Hände so hart wie Stein. Wo er hinschlug, da wuchs kein Gras mehr.
    Er streckte den Breitschultrigen nieder. Der mit dem dünn ausrasierten Oberlippenbärtchen zog ein Stilett.
    »Wir gehören zur Ehrenwerten Gesellschaft, du dreckiger Bauer«, sagte er. »Wenn du mich angreifst, dann steche ich dich ab.«
    »Das werden wir sehen.«
    Francescas Vater ging auf ihn los. Doch da griff der gleichfalls anwesende Dorfpfarrer ein. Er war vom Honoratiorentisch in der Laube herbeigelaufen und stellte sich zwischen die Kontrahenten. Don Pasquale hatte sein Käppchen auf und trug seine altmodische, von oben bis unten durchgeknöpfte abgewetzte Soutane.
    Er breitete seine Arme aus.
    »Halt, halt! Hier gibt es kein Blutvergießen. Ihr seid doch Christenmenschen, besinnt euch darauf. – Denkt nur, wie geduldig unser Herr Jesus Christus die linke Wange hinhielt, wenn jemand ihn auf die rechte schlug.«
    »Er hat auch die Geldwechsler aus dem Tempel geprügelt«, sagte Michele Montalba. Er las manchmal in der Bibel, das einzige Buch, das er kannte. Seine Tochter Francesca war ihm Gegensatz zu ihm gebildet und hatte sogar Abitur. Sie hätte Medizin studieren können, doch die Armut daheim und dass sie auf dem Hof und im Haus dringend gebraucht wurde hatten das verhindert. »Geh mir aus dem Weg, Pfaffe.«
    Jetzt griffen auch der Bürgermeister des Ortes und andere ein. Es gab einen Disput, der damit endete, dass Michele Montalba abzog. Stur bestand er darauf, dass er seine Zeche auf die Lira genau bezahlte.
    Dann ging er durchs Dorf zu seinem Gehöft. Selbst seinem Rücken sah man es an, wie wütend er war. Geht das schon wieder los mit dem Gerede, dachte er. Die beiden, auf die er losgegangen war, hatten ihm schwer nach Mafia ausgesehen. Michele Montalba war mutig.
    Die meisten duckten sich vor der Mafia, die bekanntlich einen langen Arm hatte. In Süditalien war sie allgegenwärtig. Die Empörung hatte den Kleinbauern hingerissen. Von jetzt an ging er mit der Lupara aufs Feld. Doch es erfolgten keine Repressalien gegen ihn.
    Als Francesca, sie hatte ihren Führerschein gemacht, dann in ihrem Kleinwagen mit ihrem Kind zu einem Besuch bei ihrer Familie vorfuhr, sprach ihr Vater sie an.
    Francesca hatte Geschenke für ihre geistig behinderte Schwester Rosa mitgebracht. Das gestattete ihr Vater, sonst lehnte er außer den Geldspritzen des Marchese, die er nicht mehr als unbedingt nötig in Anspruch nahm, alles ab. Rosa erhielt eine Barbie-Puppe – darüber freute sich die jetzt fast Vierzehnjährige wie toll.
    Für die Hausarbeit war sie kaum zu gebrauchen. Während

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