Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
Straße vor sich.
»Ups, sorry.« Bettina glättete lachend ihren Flatterrock, der aussah wie frisch aus Woodstock importiert. »Das hängt mit meinem Freiheitsdrang zusammen. Nicht dass du denkst, ich hätte mir das von Paris Hilton abgeschaut.«
»Nee, mit der hast du wirklich keine Ähnlichkeit«, schmunzelte Jan und musterte sie kurz. »Bist du nun eigentlich mehr Punk oder mehr Hippie?«
»Ich bin Bettina, ganz einfach«, antwortete sie selbstbewusst. »Schubladen sind für mich tabu.«
Der Stau auf der A 30 kurz hinter Melle hatte sich gerade aufgelöst, als Jans Handy in der Freisprechanlage klingelte und ihn aus seinen schlüpfrigen Gedanken befreite.
»Die Spurensicherung«, sagte Bettina nach einem raschen Blick auf das Display.
»Oldinghaus«, meldete sich Jan.
»Nolte hier.«
»Ach, der Kollege«, entgegnete Jan flapsig. »Wie geht’s dir, Tim?«
»Meine Frau ist auf Kur, meine Schwiegermutter wohnt im Gästezimmer und kümmert sich um Leon, und jeden zweiten Tag präsentiert ihr uns ‘ne neue Leiche. Ein Grauen jagt das nächste.«
»Also alles wie immer«, stellte Jan munter fest. »Weshalb rufst du an?«
»Wir haben ein paar Dinge gefunden, die dich interessieren dürften«, antwortete Nolte.
»Ihr auch?«
»Wieso?«, fragte Nolte überrascht. »Wer denn noch?«
»Wir sind gerade auf dem Weg in die Rechtsmedizin. Aber jetzt sag schon, was habt ihr Neues?«
»In Bernhard Winkelmanns Jackett, das wir in seinem Wagen gefunden haben, gab es einiges zu entdecken«, antwortete Nolte. »Eine Packung Streichhölzer aus einer Bar und zwei unbenutzte Kondome.«
»Das ist alles?«, fragte Jan irritiert.
»Na hör mal!«, echauffierte sich Nolte. »Wie ich hörte, tappt ihr noch immer vollkommen im Dunkeln. Da sollte man sich durchaus die Frage stellen, was Kondome in der Tasche eines verheirateten Familienvaters zu suchen haben.«
»Tut mir leid. Ich hatte gehofft, ihr hättet etwas Konkreteres gefunden«, sagte Jan. »Du hast natürlich recht, das mit den Kondomen klingt in der Tat merkwürdig. Was hat es denn mit den Streichhölzern auf sich? Stammen die aus dem › GLÜCKUNDSELIGKEIT ‹?«
»Diesem loungigen Szeneladen in Bethel? Da muss ich dich leider enttäuschen. Es handelt sich um das Café Central in Brackwede.«
»Sagt mir nichts«, murmelte Jan. Auch Bettina schüttelte den Kopf.
»Ich lass dir die Sachen zukommen«, fuhr Nolte am anderen Ende der Leitung fort. »Vielleicht helfen sie euch ja doch weiter.«
»Habt ihr vielleicht Winkelmanns Handy gefunden?« Jan erinnerte sich daran, dass Winkelmann seine Frau am Sonntagabend vom Handy aus angerufen hatte. Er musste sein Telefon also dabeigehabt haben.
»Leider nein«, zerstörte Nolte Jans Hoffnungen so schnell, wie sie in ihm aufgestiegen waren.
»Na gut, trotzdem danke, Tim. Und genieß deine Strohwitwerzeit«, sagte er zum Abschied.
»Meine Schwiegermutter ist doch …« Noltes Stimme verstummte jäh, weil Jan bereits aufgelegt hatte.
»Erpressung, Depression, Neid und jetzt womöglich noch Eifersucht«, sagte Bettina nach einigen Momenten des Schweigens. »Der Mord an Winkelmann lässt alle gängigen Motive zu.«
»Aufgrund der Kondome?«, fragte Jan skeptisch.
»Für mich ein untrügliches Zeichen dafür, dass er eine Affäre hatte. Ein Ehemann, der Kondome mit sich rumträgt, hat Dreck am Stecken. Ich weiß, wovon ich spreche.«
»Ach?« Jan überholte einen Lkw und wechselte anschließend wieder auf die rechte Spur. »Erzähl mal.«
»Ist schon ein paar Jahre her«, begann sie. »Ein Geschäftsfreund meines Vaters, so ein reicher Schnösel, der glaubte, sich seinen zweiten Frühling gönnen zu können.«
»Wie alt warst du denn da?«
»Neunzehn.«
»Und du hast dich darauf eingelassen?«, fragte Jan überrascht.
»Wie gesagt, ich war neunzehn, und er hat mir den Himmel auf Erden versprochen. Ich habe mich wie eine Prinzessin gefühlt. Zwei Monate lang.«
»Dann war Schluss?«
»Seine Frau kam dahinter und hat ihm ein Ultimatum gestellt. Vierundzwanzig Stunden später war er weg.«
»Was haben denn deine Eltern dazu gesagt?«
»Mein Vater hat dem Kerl eine verpasst, als er davon erfahren hat.« Bettina lächelte einen Moment lang, dann wurde sie wieder ernst. »Wir müssen prüfen, ob Winkelmann ein Verhältnis mit einer anderen Frau hatte.«
»Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als seine Frau damit zu konfrontieren«, sagte Jan nachdenklich. »Ich bezweifle allerdings, dass sie ein schlechtes Wort
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