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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Freund, und das war allen bekannt. Warum hatte er sich also bei den Blumen nicht mehr Mühe gegeben? Jemand anders hatte es. Beziehungsweise viele andere. Denn als er sie nach dem Mittagessen aus der Kantine kommen sah, trug sie etwa zweihundert Nelken im Arm. Und sie wirkte traurig und durcheinander. »Alles Liebe von Derric« auf zwei jämmerlichen Nelken nahmen sich neben ihren siebenunddreißig unterschiedlichen Grußkärtchen eher mickrig aus.
    Er wusste genau, was sie jetzt denken würde: dass sein Versagen in der Blumenfrage in direktem Zusammenhang mit ihrem Streit stand, den sie hatten, nachdem er Hals über Kopf den Gebetskreis verlassen hatte. Das stimmte zwar, aber irgendwie auch wieder nicht. Irgendwas war mit ihm los. Er wusste nur nicht genau, was.
    Es hatte nicht geholfen, dass Becca King ihm auf dem Gang entgegenkam, als er aus dem bescheuerten Klassenzimmer stürmte. Sie konnte sehen, dass es zwischen Courtney und ihm ein Problem gab, und aus Gründen, über die er lieber nicht nachdenken wollte, machte das alles nur noch schlimmer. Zum Glück war Becca wenigstens schnell weitergegangen, sodass sie nicht mehr hören konnte, wie Courtney und er sich stritten; zumindest hatte sie keinen Grund, schadenfroh zu sein.
    Aber es waren ein paar schreckliche Minuten gewesen. Das Schlimmste war, dass er Courtney nicht klarmachen konnte, dass sie ihn mit ihrem angeblichen »Gebet« über sie beide hintergangen hatte.
    Sie rief aus: »Derric! Wo willst du hin? Was ist los?«
    Er blaffte sie an: »Was los ist? Das geht nur uns beide etwas an. Und sonst niemanden. Wie kannst du das vor den anderen breittreten?«
    Sie sagte: »Es weiß doch jeder, dass wir zusammen sind.«
    Er hätte am liebsten ein Loch in die Wand getreten. »Na und? Boah, Alter, ich glaub’s ja nicht.«
    Ihre blauen Augen wurden größer. »Außerdem habe ich zu Gott gesprochen und nicht zu ihnen. Und sag nicht > Alter< zu mir, ja?«
    »Ja, ja. Wie du meinst. Tut mir leid, Courtney. Aber bei deinem Zwiegespräch mit Gott haben fünfzehn andere zugehört. Du hättest mich zumindest vorwarnen können, dass du über uns sprechen willst.«
    »Aber du weißt doch, dass ich viel bete. Ich bete die ganze Zeit, und dabei geht es um alle möglichen Dinge. Ich hab dir auch gesagt, dass ich für uns beide bete. Glaubst du denn, es fällt mir leicht, wenn wir nackt sind und ...«
    »Okay, okay!« Er sah sich verstohlen um. Das war der reine Irrsinn. Das Letzte, was er wollte, war eine öffentliche Bekanntmachung im Schulflur darüber, wie weit sie schon miteinander gegangen waren. »Heißt das, du betest in deinem blöden Gebetskreis für uns, seit wir zusammen sind?«
    »Es ist kein blöder Gebetskreis.« Sie sprach ruhig und würdevoll, aber ihre Augen verrieten, dass ihr der Streit sehr nahe ging.
    »Das ist eine Gruppe von Schülern, Court. Die kriegen da etwas mit, das sie überhaupt nichts angeht. Und du erzählst ihnen genau ... Ich möchte gar nicht wissen, was du schon alles beim >Beten< verraten hast.«
    »Sag das nicht so. Es klingt, als wäre mein Gebetskreis nur ein großer Witz.«
    »So seh ich das auch.«
    »Das stimmt aber nicht. Keiner von den anderen wird auch nur ein Wort über uns beide verlieren. So sind sie nicht. Sie tratschen nicht.«
    »Das ist doch wohl ein Scherz. Das glaubst du nicht im Ernst.«
    »Tratsch hat keinen Platz im Wirken von Jesus Christus«, sagte sie.
    Darauf antwortete er: »Ich muss hier raus«, und ließ sie alleine im Gang stehen. Kopfschüttelnd ging er davon. Entweder war sie verrückt oder er hatte unrecht. Ganz gleich, was es war, es war ein mieses Gefühl.
    Aber das war nicht der Grund, warum er sie nicht mit Nelken überhäuft hatte. Es war zwar eine gute Ausrede, aber es war nicht der eigentliche Grund. Der lag nämlich in seinem Innern und betraf das, was in ihm vorging. Auf der einen Seite war da sein Verlangen für sie, das so stark war, dass sein ganzer Körper weh tat. Auf der anderen Seite wusste er genau, dass etwas Entscheidendes fehlte, wenn er mit ihr zusammen war und sie nicht gerade rumknutschten.
    Na und?, dachte er bei sich. Was spielte das für eine Rolle? Sie passten gut zusammen. Sie waren total verrückt nacheinander. Wenn sie zusammen waren, näherten sie sich immer mehr dem Abgrund, und wenn er sich fallenlassen würde, dann würde er es mit ihr tun wollen.
    Oder? Das war die Frage. Sein Unterleib schrie: »Los, los, los, Alter!« Und sein Herz war auch bereit. Sein Gehirn sagte:

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