Whisper (German Edition)
Jungrindes, wobei sein Blick an Dan eine deutliche Bitte enthielt.
„Sie gehört zur Six Soul Ranch“, erklärte er und bemerkte dankbar, wie Dan schwach nickte und zumindest so tat, als wäre alles in Ordnung. Natürlich waren ihm die Kinskys und deren Arbeit ein Begriff, allerdings hatte er nicht mit so einem Anblick gerechnet. Es gehörte schon Einiges dazu, mit einem völlig entstellten Gesicht auf Anhieb umzugehen. War das der Grund, warum das Mädchen auf Six Soul verweilte?
Kino zog Jasmin vom Pick Up weg, damit die Männer das Kalb in den Stall transportieren konnten, und achtete darauf, dass sie dem RCMP-Beamten nicht zu nahe kam. Auch wenn Dan es geschafft hatte, auf Anhieb mit ihrer Entstellung umzugehen, galt das noch lange nicht für den Polizisten. Zuerst zog er sie am Arm, nahm sie dann bei der Hand, darauf bedacht, ihr nicht wehzutun. Wohl genau deswegen fühlte er ihre Hände, ihre Finger so intensiv, spürte die Wärme darin, das schwache Zugreifen, da ihr mehr nicht möglich war. Ein Rieseln strömte durch seinen Körper. Für Momente war ihm, als ob eine elektrische Entladung stattfinden würde, ausgehend von Jasmins Körper. Kino hob den Kopf, sah sie kurz an. War ihr bewusst, was ihre Berührung auslöste? War ihr klar, was sie getan hatte, zu was sie fähig war? Kino spürte es an sich selbst. Dieses Rieseln, welches durch seinen Körper glitt, sich wohlig in jeder Faser ausbreitete und einen gewissen Punkt suchte, wo es sich ganz bewusst einnistete. In seinem Herzen.
Jasmin reagierte kaum, ließ sich willenlos von ihm herumschubsen. Kino biss sich auf die Lippen. Er erinnerte sich an Stefan, als dieser ihm mit seltsamen Augen erklärte hatte, wie Jasmin im Wald verschwunden war und die Wapitis gefunden hatte. Das Blöken eines Kitzes! Stefan hatte Stein und Bein geschworen, dass kein Kitz geblökt hatte. Das Wimmern des Kitzes war so leise gewesen, man hätte es unmöglich hören können, und doch war Jasmin auf einmal stehengeblieben und in den Wald gelaufen. Er hatte von den Raben erzählt, von den Kids, die sich von den Vögeln bedroht gefühlt hatten. Einbildung? Hirngespinste? Die Raben werden sie leiten, der Grizzly beschützen. Kino atmete tief durch. Das Kitz, es hatte sie erkannt und sich sichtlich über sie gefreut, obwohl dies eigentlich nicht möglich sein konnte. Überhaupt, ein Kitz um diese Jahreszeit. Im Herbst wurden keine Kitze geboren. Jetzt dieses Kalb. Was hatte Jasmin dazu bewogen, aus dem Stall zu kommen und es anzufassen? Sie mied Menschen, wie Feuer das Wasser. Was hatte sie dazu veranlasst? Was hatte das Tier so ruhig gestimmt? Die ´Elektrizität`, die durch einen Körper wanderte, wenn sie ihn berührte? War das nicht etwas, was lediglich ihn betraf, weil … Was begleitete Jasmin, von dem niemand etwas wusste? Hatte Jasmin die Fähigkeit Tiere zu beruhigen? Hatte diese „Whisper“ etwas mit der Sache zu tun? Wer war Whisper? Was für ein Tier war sie? Es klang nach einem Pferd, hätte aber auch ein Hund sein können. War Whisper ein Pferd? Dann würde sich auch erklären, warum Jasmin so gut mit Pferden umgehen konnte.
„Soll ich dich nach Six Soul bringen?“, fragte Kino leise, einfach um seinen eigenen Gedankengang zu bremsen und bekam gottlob ein zartes Nicken.
Ungewöhnlich hektisch lief Kino zu seinem Vater, um ihn um das Auto zu bitten. Dieser zog skeptisch die Stirn in Falten, als er ihm die Autoschlüssel gab und zusah, wie er zu dem Mädchen zurücklief. Kopfschüttelnd beobachtete er, wie sein Sohn Jasmin ins Auto beförderte und selbst hinters Lenkrad sprang. Musste er sich Sorgen machen?
Kino ließ den Motor an und wendete das Gefährt, bemerkte aber Jasmins Blick, welcher an der Stalltür hing. Er brauchte wirklich nicht lange zu überlegen, um zu erraten, was sie sich dachte. Das Kitz. Sie machte sich Sorgen um das Kitz.
„Es ist gut versorgt“, beruhigte Kino und griff ihr sanft auf den Arm. „Die Ziege ist ihm eine gute Ersatzmama!“ Nur ganz kurz wandte sie sich ihm zu, streifte seinen Blick, bevor sie auf dem Beifahrersitz zusammensank. Kino biss die Zähne zusammen. Zwei Wörter waren es gewesen. Zwei ganze Wörter, die sie zu ihm gesagt hatte. Der Schmerz war daraus zu hören gewesen. Und trotzdem hoffte er, dass es nicht die letzten Wörter gewesen waren, die er von ihr gehört hatte. Er wollte so gern mehr über sie erfahren, wissen, was in ihr vorging. Groß war der Wunsch, ihr helfen zu wollen, irgendwie. Aber solange sie
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