Whisper (German Edition)
sich.
„Naja“, entgegnete Stefan und zeigte in sein eigenes Gesicht, wo er Jasmins Narben andeutete. „Von irgendwoher müssen die Narben ja kommen. Man hat den Unfall zwar niemals genau geschildert, aber es blieb immer ein Unfall. Weißt du etwa mehr?“
„Stefan, das war kein Unfall. Das, was du siehst, hat ihr jemand angetan!“
Der junge Mann sah seinen Freund groß an.
„Du meinst, jemand hat ihr bewusst das Gesicht zerschnitten? Woher …“ Er dämpfte seine Stimme etwas. „Woher weißt du das?“
Kino trat an seinen Freund heran, sodass es nicht nötig war, lauter zu sprechen.
„Jasmin hat es angedeutet!“
Stefan starrte Kino ungläubig ins Gesicht.
„Sie hat … echt, Scheiß ohne?“
Der Indianer nickte zur Bestätigung mit dem Kopf.
„Da ist mehr schief gelaufen und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es bewusst verheimlicht worden ist. Genau wie die Sache mit dem Pferd, welches auch heute noch eine ganz wichtige Rolle in ihrem Leben spielt.“
„Welche Farbe soll das Pferd gehabt haben?“
Kino sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
„Es soll ein Schwarzes, ein Rappe gewesen sein. Wieso?“
„Ich habe dir doch von diesen Zeichnungen erzählt, die ich bei ihr im Zimmer gefunden habe, erinnerst du dich?“
Kino senkte den Kopf, um ihn gleich darauf wieder zu heben.
„Welche Farbe hatte dieses Pferd?“
„Ähhh“, Stefan überlegte. Der Blick auf die Zeichnungen war nur kurz gewesen. „Zumindest kein Rappe. Es war ein Helles. Ein Palomino oder ein heller Fuchs vielleicht. Zumindest kein Cremello und schon gar kein Schwarzes!“
„Ein Palomino? Bist du dir sicher?“
Stefan zuckte mit den Schultern.
„Na, ganz nicht, aber es könnte einer gewesen sein.“
Kino atmete tief durch, wandte den Blick ab und starrte in die Wälder, irgendwohin, wo die Ferne einlud und die Gedanken kreisen konnten.
„Wieso, ist was mit einem Palomino?“, fragte Stefan neugierig nach und wusste in dem Moment, als Kino zögerte, dass es etwas gab, was mit einem Palomino zusammenhing.
„Ich weiß nicht!“ Der junge Mann zuckte mit den Schultern und sah seinen Freund ein weiteres Mal an. „Das heißt, ich weiß nicht, ob ein Zusammenhang besteht. Großvater hat vor einigen Tagen ein fremdes Pferd in der Nähe unserer Ranch gesehen. Er behauptete, es sei ein Palomino gewesen. Er hat sofort bei der RCMP angerufen, und eine Anzeige aufgegeben, damit jene, die ein Pferd vermissen, wissen, wo sie es finden können. Aber es gab keine Suchanzeige. Ich glaube, es war vorgestern. Da habe ich das Pferd dann auch gesehen. Es stand auf der Wiese und hat gefressen, ist aber weggelaufen, als ich mich ihm genähert habe. Weiß der Teufel, wie sie über den Zaun gekommen ist.“
„Sie?“
„Nun“, Kino lächelte etwas, „ich habe sie beim Pinkeln beobachtet. Ich habe den gesamten Zaun abgesucht, aber es gab kein Loch, noch nicht mal ein Löchlein. Sie verschwand genauso schnell, wie sie erschienen ist. Spuren habe ich nie gefunden.“
„Und du glaubst, dieses Pferd steht im Zusammenhang mit Jasmins Zeichnungen?“
Abermals zuckte Kino mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht, aber ich mag nicht an Zufälle glauben.“
„Ich dachte, diese Whisper wäre schwarz gewesen?“
Jetzt war Stefan an der Reihe die Zusammenhänge nicht mehr zu verstehen.
„Eben genau deswegen“, antwortete Kino. „Es passt nicht. Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass es da noch etwas gibt, sich anbahnt … wie auch immer, ich habe keine Ahnung.“
Die beiden jungen Männer sahen sich forschend in die Augen. Jeder andere hätte vielleicht an Kinos Verstand gezweifelt, aber Stefan kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass man sein Gespür ernst nehmen sollte.
„Glaubst du, dass Jasmin wieder mit dir redet? Oder sind das nur Ausrutscher?“ Stefan holte den Sattel von Toms Rücken und warf ihn über den Balken.
„Kann ich dir nicht sagen, aber ich hoffe doch. Sie hat mir ihre kleine Geschichte andeutungsweise und durch die Blume erzählt, aber ich denke, ihre Botschaft verstanden zu haben.“
„Und jetzt? Willst du es Kinsky erzählen? Hey, Jasmin spricht mit mir. Sie erzählt mir sogar Geschichten.“
Kino schüttelte den Kopf.
„Das ist nicht mein Job, zumindest jetzt nicht. Wenn ich hinausposaune, was sie versucht hat mir zu sagen, und was ich hoffentlich richtig interpretiert habe, dann wird sie sich wieder verschließen, und das möchte ich verhindern. Sie soll selbst entscheiden, wann sie soweit ist, mit
Weitere Kostenlose Bücher