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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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Überleben benötigte. Heute gibt es viele andere Dinge, die es nicht mehr unbedingt notwendig machen, ein Tier zu jagen und zu töten. Tun wir es doch, wird dem Tier gedankt. Mein Vater hat mir beigebracht, fair zu jagen. Gib dem Tier eine Chance, hat er immer gesagt. Dieser Bär hatte nie eine Chance. Er wurde der Profitgier wegen getötet. An dieser Stelle ist es gut, den Bären um Entschuldigung zu bitten, dass Wesen unserer Gattung mit seinem Leben so respektlos umgegangen sind.“
    Kino empfand Trauer für das sinnlos gestorbene Tier. Seine Stimme, sein Gehabe, seine Worte … Jasmin überlegte, wie oft sie schon ein totes Tier im Ganzen gesehen hatte, nicht fein säuberlich verpackt im Supermarkt, sondern wirklich im Ganzen. Oft war das nicht gewesen, aber es wäre ihr auch nie in den Sinn gekommen, sich bei dem toten Tier zu entschuldigen, da Wesen ihrer Gattung … an diesem Satz war etwas Wahres dran, etwas, was man tief in seinem Herzen speichern sollte. Wesen ihrer Gattung! Zu was war der Mensch doch fähig, wenn sie an all die Sinnlosigkeit, die blinde Zerstörung und Ausbeutung, und an die Gier nach immer mehr Reichtum dachte. Jasmin griff etwas bewusster in das Fell des toten Tieres. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn es lebte? Genauso weich, lebendiger, wärmer? Sie würde es wohl nie erfahren. Zu wissen, dass diese Tiere lebten, war ausreichend, ihren Lebensraum mit bevölkern zu dürfen, vermutlich ein Geschenk, sie vielleicht irgendwann mal in freier Wildbahn beobachten zu dürfen, ein kleines Wunder. Sollte sie sich entschuldigen? Entschuldigen dafür, dass ein Mensch ihn so grausam getötet hatte? Menschen, eine Spezies, deren sie angehörte. Hatte sich jemals jemand bei ihr entschuldigt? Für das, was man ihr angetan und was sie überlebt hatte, oder für das, was man Whisper angetan hatte? Hätte es etwas geändert? Die Narben würden nicht mehr verschwinden, Whisper würde nicht mehr auferstehen und dieser Bär hier nicht mehr zum Leben erwachen. Und trotzdem hatte sie das starke Bedürfnis es zu tun. Vielleicht hatte auch dieser Bär eine Seele, wie Whisper eine Seele hatte. Whisper hatte zu ihr gesprochen, hätte jede Entschuldigung gehört, auch lange nach ihrem Tod. Vielleicht würde auch dieser Bär es hören, es würde zwar nichts ändern, aber möglicherweise seine Seele beruhigen.
    „Entschuldigung“, flüsterte Jasmin leise und dabei spürte sie einen ihr durchaus bekannten Kloß im Hals hochsteigen. „Ich hätte nie gewollt, dass du stirbst.“ Sanft streichelte ihre Hand über die harsche Oberseite des Felles. „Du hast das nicht verdient. Wir Menschen beherrschen die Zerstörung besser als den Frieden. Es ist die Macht des Geldes, die uns dazu treibt.“ Sie fühlte, wie sich ihre Augen mit Wasser füllten, dachte an den Bären, wie er durch die Bäume strich und nach Nahrung suchte und an Whisper, wie sie frei wie der Wind über die Wiese galoppierte, die einst ihr gehörte. „Und es gehört soviel Dummheit dazu, nicht darüber nachzudenken, was man zerstört.“ Was hatte man nicht schon alles kaputtgemacht. Neben ihrem Leben war eine wunderbare Freundschaft zugrunde gegangen. Man hatte das Vertrauen ruiniert, welches sie in diese Welt gehabt und an das sie geglaubt hatte. Der Mensch zerstörte, was ihm im Weg war, er zerstörte, um Macht auszuüben, und er zerstörte, um Geld zu verdienen. Mehr Geld, als er brauchte. Der Bär war nur ein kleiner Funke, Whisper ein Opfer.
    Ruckartig stand Jasmin auf, drehte sich um und lief zu Tom zurück. Mit einer schnellen Bewegung saß sie im Sattel, wendete hektisch und ließ ihn zurück in den Wald traben. Kino hatte ihren übereilten Aufbruch fast verschlafen, weswegen er Mühe hatte, ebenfalls in den Sattel zu kommen, um ihr folgen zu können. Für ihn war es natürlich und normal, sich bei dem Tier zu entschuldigen und zu schwören, die Wilderer zu finden und sie an ihrem weiteren Tun zu hindern. Er war damit aufgewachsen, kannte es nicht anders. Für Jasmin war das alles neu. Ob sie schon jemals ein geschlachtetes und ausgeweidetes Tier gesehen hatte, wusste er nicht. Ganz sicher nicht in dieser Form. Aber bestimmt hatte sie sich noch nie bei einem toten Tier ´entschuldigt`. Das waren Dinge, die nicht in ihre Welt gehörten. Nie war es ihr gezeigt worden, darüber nachzudenken, was er ihr in wenigen Worten und anhand eines Beispiels gesagt hatte. Dennoch hatte sie sich zaghaft an den Kadaver herangewagt. Ihre Berührung war

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