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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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hübsch, nicht!“
    Jasmin schrak wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Ihr Herz sackte förmlich in die Hose, jede Farbe wich aus ihrem Gesicht und sie glaubte sich einer Ohnmacht nahe, als Kinos Großvater plötzlich direkt hinter ihr stand.
    Dieser bemerkte, wie sie zusammenfuhr, und trat einige Schritte zurück.
    „Tut mir leid“, er hob beschwichtigend die Hände. „Jaro und Kino hören mich beide, wenn ich komme, aber ich habe übersehen, dass du vielleicht etwas zu viel mit dem Bild da draußen beschäftigt warst. Tut mir echt leid.“
    Jasmin beruhigte sich wieder. Wow, noch nie hatte sie jemand so erschreckt. Sie sah dem Mann kurz ins Gesicht, bevor sie ihren Blick wieder nach draußen leitete. Das Pferd war noch weiter in die Wiese gegangen, sodass sein gesamter Körper nun von der Sonne beleuchtet wurde. Es funkelte in hellem Gold, schimmerte und strahlte. Kein Dreckfleck erinnerte daran, dass das Tier vielleicht da draußen lebte.
    Der Indianer trat nun doch an Jasmin heran und stützte sich auf der Fensterbank ab.
    „Ihr Name ist „Mystery“, erklärte er. „Niemand weiß, woher sie gekommen ist und wo sie hingehört. Sie war auf einmal da, zeigt sich kurz, um wieder zu verschwinden. Wenig später tauchte sie wieder auf. Wir haben keine Ahnung, wo und wie sie es schafft, den Zaun zu überwinden, und wohin sie geht, wenn sie verschwindet. Kino konnte ihr nicht folgen. Er hat es zweimal versucht. Beim ersten Mal wurde er von einem Bären überrascht, der ihn zwang umzudrehen, und beim zweiten Mal fand er statt ihr eines der Kälber, das sich von der Herde entfernt hatte und im Geäst hängen geblieben war. Er hat aufgegeben sie suchen zu wollen, da Kino glaubt, dass sie ganz bewusst nicht gefunden werden will.“
    Jasmin ließ noch immer ihren Blick über den Körper des Tieres gleiten, hatte aber aufmerksam zugehört.
    „ Mystery, bedeutet Geheimnis“, sagte sie dann leise, ohne aufzublicken oder sich bewusst zu sein, dass sie gerade gesprochen hatte. Der alte Mann reagierte auch gar nicht weiter darauf. Es war nur ein sanftes Lächeln, welches über sein Gesicht huschte, als einziges Zeichen dafür, dass er ihre Worte bewusst wahrgenommen hatte.
    „Sie ist ein Geheimnis“, meinte er dann wieder ruhig, „und sie trägt auch ein Geheimnis mit sich herum. Wir kennen es nicht, und sie will nicht, dass wir es kennenlernen. Und trotzdem kommt sie immer wieder hierher, um zu weiden. Sie weiß, dass wir sie beobachten. Heute ist sie sehr nahe herangekommen. Normalerweise bleibt sie am Waldrand, um sofort zu verschwinden, wenn ihr etwas Angst macht.“
    „Es ist eine sie?“ Jasmin dachte an ihre Zeichnungen. Auf ihren Bildern hatte sie auch immer eine Stute gemalt. Nie war es ihr in den Sinn gekommen, dass das Pferd, welches ihr immer wieder in ihren Träumen erschien, vielleicht männlich sein könnte.
    „Sie ist eine Stute“, bestätigte der alte Mann. „Kino hat sie beim Pinkeln beobachtet!“
    Diesmal stockte Jasmin doch leicht und wandte sich dem Mann zu. Er lachte vorsichtig, was sie ebenfalls dazu veranlasste, zaghaft zu lächeln. Doch nur für einen Moment, denn kaum wurde sie sich darüber klar, senkte sie beschämt den Kopf, um ihr Gesicht wieder zu verstecken.
    „Wenn du willst, geh hinaus. Vielleicht lässt sie dich etwas näher herankommen“, forderte der alte Mann sie auf.
    Hinausgehen? Würde das Tier nicht flüchten, wenn es sie bemerkte. Wäre dann nicht dieses schöne Bild verschwunden, das sich ihr gerade bot?
    Der alte Mann legte ihr die Hand auf die Schulter.
    „Versuch es einfach“, munterte er sie auf. „Sie kommt wieder, auch wenn sie wegläuft. Sie ist bisher immer wiedergekommen, hat sich gezeigt und ist wieder gegangen. Vertrau ihr.“
    Nochmals wandte sie sich ihm zu, antwortete aber nicht mehr, sondern sprang zu der Couch, streifte sich ihre Socken über, holte ihre weichen Turnschuhe aus dem Gepäck, die sie extra mitgenommen hatte, schlüpfte rücksichtslos hinein, war beim Schnüren der Schuhe rekordverdächtig schnell und flitzte nach draußen, noch ehe der alte Mann etwas hätte sagen können. Das war auch gar nicht nötig. Jasmin brauchte keine weitere Hilfe. Sie wusste selbst, was sie zu tun hatte.
    Zärtlich lächelnd warf der Indianer einen Blick auf die Rolle mit den Zeichnungen. Es gab Dinge, die sah man, über die rätselte man, über die dachte man nach, und es gab Dinge, die wusste man einfach. Dieses Pferd war gold, mit weißer Mähne und weißem

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