Whisper Island (01) - Sturmwarnung
zumuten konnte.
Hayley sagte: »Oh Gott. Er ist bestimmt tot.«
Seth wurde eiskalt, von Kopf bis Fuß. Im Wald gestorben. Das wäre schlimm.
Als der Deputy auf sie zu gerannt kam, fragte ihn Seth: »Was ist los, Mann? Was ist passiert?«
Auf dem Namensschild des Polizisten stand Deputy Picarelli, und er war ein Mann von gedrungener Gestalt, der wahrscheinlich in seinem Leben schon viele Fleischpasteten auf den Bauernmärkten gegessen hatte. Er warf Seth einen Blick zu, der so viel sagte wie: Wenn hier einer Fragen stellt, dann bin ich das.
Dann sagte er: »Komm mit. Und sag den anderen, dass sie auch kommen sollen«, wobei er auf die Leute zeigte, die auf der Wiese waren.
Seth trommelte alle zusammen, nur die Kiffer konnte er nicht finden, weil die längst über alle Berge waren. Als sich alle versammelt hatten, saß der Deputy noch in seinem Wagen, sprach über Funk und hatte das Fenster hochgekurbelt, damit ihn keiner belauschte. Als er fertig war, machte er die Fahrertür auf und fragte die Umstehenden vom Wagen aus nach ihren Namen.
Die tippte der Deputy in ein Laptop, das am Armaturenbrett befestigt war und ziemlich viel Beifahrerplatz in Anspruch nahm. Bei jedem neuen Namen nickte er und sagte: »Okay. Sie können gehen. Wir melden uns wieder«, obwohl keiner genau wusste, zu welchem Zweck.
Dann kam Seth an die Reihe, um seinen Namen zu sagen. Er brauchte ihn nicht zu buchstabieren, denn auf der Insel wohnten so viele Darrows, dass der Deputy sicher mindestens einen von ihnen kannte. Seths Großvater war einer von fünf Söhnen, die alle noch auf Whidbey Island lebten.
Deputy Picarelli nickte und tippte Seths Namen in sein Laptop. Seth krempelte seine Jeans hoch und wollte gerade gehen. Doch da schlug die Situation um.
Picarelli stieg aus dem Wagen, machte die Tür zum Rücksitz auf und sagte zu Seth: »Steig ein«, und das war keine freundliche Aufforderung zu einer Spazierfahrt.
K APITEL 13
Seth hatte gerade noch genug Zeit, dafür zu sorgen, dass Gus versorgt war. Er sagte zu Hayley: »Gus ist im Wagen. Kannst du ihn mit zu dir nehmen …«, bevor die Tür zufiel, während er hinten im Streifenwagen saß.
Sie nickte, rief ihm aber hinterher: »Seth! Was hast du getan ?«
Der Deputy fuhr vom Parkplatz auf die Saratoga Road und dann nach Süden.
Seth fragte ihn: »Verraten Sie mir jetzt endlich, was los ist?«, aber Picarelli erwiderte nur: »Richterlicher Haftbefehl, Kleiner. Ich muss dich auf die Wache bringen.«
Richterlicher Haftbefehl? Warum sollte ein Richter seine Verhaftung angeordnet haben? Ihm fiel kein einziger Grund ein. Dennoch war er ein klein wenig erleichtert, weil es, ganz gleich, warum man ihn nach Coupeville brachte, nichts mit dem Vorfall hier zu tun hatte.
Als sie etwa dreißig Minuten später bei der Polizeiwache ankamen, ging Seth davon aus, dass der Streifenwagen davor anhalten würde. Aber das passierte nicht. Stattdessen öffnete sich ein großes Tor und sie fuhren in eine riesige, hohe und ausgesprochen Furcht einflößende Halle. Sie hatte etwas von einer Garage, aus der es kein Entkommen gab, besonders, als sich das Metalltor mit einem lauten Knall schloss. Das Geräusch hatte etwas Endgültiges und erreichte die gewünschte Wirkung: Es erschreckte Seth beinahe zu Tode.
Er kannte diesen Ort. Nicht, weil er schon einmal hier gewesen war, sondern weil er Teil der Geschichte von Whidbey Island war. Gleich hinter der dicken Metalltür vor ihm befand sich ein kleiner Raum mit einem Tisch, auf dem ein Alkoholtestgerät lag, und einem Stuhl davor. Dort musste jeder, den man des übermäßigen Alkoholkonsums verdächtigte, ins Röhrchen blasen. In eben diesem Raum hatte auch ein Junge, der nur ein Jahr älter war als Seth, eine Waffe aus seinem Hosenbund gezogen und zwei Polizisten erschossen.
Deputy Picarelli stieg aus dem Wagen und öffnete Seths Tür. Er packte ihn am Arm und zog ihn auf die Füße. Seth fragte sich, ob der Polizist aus irgendeinem unerfindlichen Grund dachte, er wäre betrunken Auto gefahren.
Die Dinge klärten sich auf, als sie an dem Alkoholtestgerät vorbeimarschierten und schließlich im Anmeldebereich ankamen. Auch wenn an diesem Ort niemand lächelte oder es für nötig hielt, die eintreffenden Versager zu grüßen, informierte man sie zumindest darüber, warum man sie verhaftete. Verhaftet zu werden hieß, dass Seth alles aushändigen musste, was er bei sich hatte, man seine Fingerabdrücke nahm und ihm schließlich mitteilte, dass er es
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