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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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schon.«
    Aber sie waren zu spät.
    Als sie aus der Haustür liefen, hörten sie gerade noch, wie das Scheunentor zuschlug. Der Mond war hinter einer Wolke verschwunden. Es war zu dunkel, um die Gestalt zu erkennen, die sich in der Schwärze der Nacht auflöste. Und es war zu spät, ihr zu folgen.
    »Bleib bei mir«, flüsterte Noa David zu. »Bleib bei mir heute Nacht.«
    David schlief im Wohnzimmer. Er hatte sich die Sofamatratzen aus Noas Zimmer geholt und sich daraus auf dem Boden ein Bett gemacht. Einmal stand Noa auf, um an die Tür zu schleichen. Sie hörte seinen Atem, ruhig und gleichmäßig, aber sie widerstand dem Wunsch, sich zu ihm zu legen. Spät in der Nacht ging die Haustür auf. Pancake sprang vom Bett, tapste nach draußen. Noa hörte Schritte im Flur, dann das Zuschlagen von Gilberts Zimmertür.
    Schritte auf der Treppe hörte sie nicht.
    Kat war bei Robert geblieben.

EINUNDZWANZIG
    Auf dem Dorffest sagt mein Vater zu Dumbo, einen Jungen wie ihn hätte er gerne zum Sohn. Ich stehe neben ihm, als er das sagt und dabei Dumbo diesen väterlichen Blick zuwirft, der bei Robert nicht gezogen hat. In diesem Moment hasse ich ihn bis aufs Blut. Aber Dumbo vergöttert ihn. Er sieht nicht, für wen er herhalten muss und was für einen jämmerlichen Ersatz er dabei abgibt. Mein Vater sagt, ich soll gefälligst nett zu ihm sein. Den Gefallen werde ich ihm tun – auf meine Weise.
    Eliza, 12. August 1975
    K ats Lachen kam von draußen.
    Es kam von draußen und es klang anders. Weich und warm, ein wenig scheu und erfüllt von einem Gefühl, das Noa an ihrer Mutter fremd war.
    »Komm rein«, hörte Noa sie sagen. »Komm mit rein und sieh, was wir aus dem Haus gemacht haben.«
    »Nein, Kat.« Das war Roberts Stimme und sein Tonfall klang, als habe sie ihn nicht zum ersten Mal gebeten, mit ins Haus zu kommen.
    Als Noa ans Fenster trat, sah sie die beiden. Sie standen vor dem Gartentor, Arm in Arm. Kats rote Haare, die ihr in wilden Locken über die Schulter fielen, sahen im Licht der Morgensonne aus, als stünden sie unter Feuer. »Warum nicht?«, kam es bohrend von Kat. »Was ist mit dir, warum kuckst du so? Was ist das für ein Blick?«
    Kat nahm Roberts Gesicht zwischen ihre Hände, fast wie David das ihre berührt hatte, als sie im Flur vor seiner Küche standen. Sie hat sich verliebt, dachte Noa. Meine Mutter hat sich in Robert verliebt.
    »Ich muss gehen, Kat.« Robert befreite sich aus Kats Umarmung und Kat senkte den Kopf. »Ich bin das nicht gewöhnt, Robert. Ich bin dieses Gefühl nicht gewöhnt, es macht mir Angst. Du machst mir Angst, weißt du das? Warum ziehst du dich so zurück? Und wenn du schon nicht mit ins Haus willst, warum kommst du nicht wenigstens mit uns auf das Fest heute Abend?«
    »Auf das Fest.« Roberts Stimme klang noch dunkler als sonst.
    »Was soll ich auf diesem Fest?«
    »Mit mir tanzen, zum Beispiel.« Kat lachte wieder, dann hob sie theatralisch die Hände, als hielte sie Kastagnetten darin und machte eine kreisende Bewegung mit den Hüften. »Komm schon, ich war noch nie auf einem Dorffest, ich möchte das einfach mal erleben.«
    »Dann erlebe es, aber ohne mich. Ich bin nicht der Typ für so was.«
    »Und für was bist du der Typ?« Kats Stimme klang gekränkt. An Stelle einer Antwort drehte Robert sich von ihr weg und Kat rief ihm mit einer hässlichen Stimme hinterher: »Dann hau doch ab und verkriech dich in deiner Mühle, du Idiot. Von mir aus kannst du in deiner gottverdammten Vergangenheit ersticken, um die du ein solches Riesengeheimnis machst!«
    Hastig trat Noa vom Fenster weg, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. So hatte sie Kat noch nie erlebt.
    Kurz darauf kam Noas Mutter ins Haus und verschwand türeknallend in ihrem Zimmer.
    David war schon am frühen Morgen gegangen, er hatte Noa einen Zettel hinterlassen, dass er mithelfen musste, das Fest vorzubereiten. Gilbert war in die Stadt gefahren, um sich die Kirche anzuschauen, und nachdem Noa die Katzen gefüttert hatte, machte sie sich auf den Weg zur Kneipe.
    Sie war nicht vorbereitet auf das Blutbad. Heute war das Dorffest, das wusste Noa, aber was am Morgen davor geschehen sollte, hatte sie verdrängt. Sie hatte sich keinen Begriff davon gemacht. Wie auch?
    Die Tür der Kneipe war zu, aber nicht abgeschlossen, und als niemand öffnete, trat Noa durch den Flur in die Küche. Auf dem Herd stand ein riesiger Bottich mit heißem Wasser. Die Fenster waren beschlagen, die Luft in der Küche war feucht und die Hintertür

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