Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
Vom Netzwerk:
ungewohnten Ausdruck. Weich und besorgt sah sie plötzlich aus. Dann wandte sich Esther Gustaf zu, aber dessen Blick war an Kat hängen geblieben, die ihm eine Kusshand zuwarf und sich von einem der Männer am Tisch einen Schnaps spendieren ließ. Sie zog die Blicke der Männer an wie ein riesiger Magnet.
    »Heute geb ich mir die Kante«, verkündete sie und stürzte zur Verdeutlichung den Schnaps in einem Zug hinunter.
    Von den Männern am Tisch ließ sich Kat noch einen zweiten, dann einen dritten Schnaps spendieren, stolzierte auf die Tanzfläche zu – eine Bretterbühne im hinteren Teil des Zeltes –und fing an zu tanzen, alleine, als Einzige ohne Partner.
    Obwohl die Kapelle weiterspielte, schien es Noa, als stoppte plötzlich jede Bewegung im Raum. Für den Bruchteil einer Sekunde waren alle Blicke auf Kat gerichtet, die ihre roten Zöpfe durch die Luft fliegen ließ, während sie sich im Kreis drehte und dabei die Arme in dem flügelartigen Piratenhemd ausbreitete. Plötzlich sah sie aus wie ein kleines Mädchen, das sich aus einer Verkleidungstruhe auf einem Dachboden eingekleidet hat.
    Der Sänger, ein langhaariger, junger Mann in einer schwarzen Lederhose, der aussah, als hätte er weit mehr auf Lager, als die auf dem Programm stehenden Volksmusikschlager, grinste seinem Gitarristen zu und drehte den Verstärker auf.
    Noa hätte sich gerne irgendwo versteckt, vor allem als sie an einem der Tische Dennis sitzen sah. Er trug eine Feuerwehruniform und Noa hätte beinahe gelacht. Der Feuermelder arbeitete bei der Feuerwehr. Das passte ja wirklich wie die Faust aufs Auge. Und sein Vater war Schlachter. Auf ihre Weise stehen beide mit dem Tod im Bunde, dachte Noa und ihr Impuls, zu lachen, löste sich wieder auf. Ob die Feuerwehr hier im Dorf oft gebraucht wurde? Noa fühlte, wie sie erstarrte, als Dennis ihren Blick einfing. Den Feuerwehrhelm hatte er vor sich auf dem Tisch liegen, er war kaum röter als sein Haar und sein vom Alkohol gezeichnetes Gesicht. An Dennis’ Seite saß ein Mädchen mit weiß blondierten Haaren und neonpink Lippenstift. Sie trug eine knappe Jeansweste, die unter ihren gro-ßen, darin eingezwängten Brüsten fast zu platzen drohte. Dennis hatte seinen Arm um die Schultern des Mädchens gelegt, während er Noa fixierte, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkniff und sich dabei mit der Zunge über die Lippen fuhr. Angewidert wandte Noa sich ab und schob sich zum Tresen vor. Sie stellte sich an den äußersten Rand, aber David war zu beschäftigt, um sich um sie zu kümmern, wie am Fließband zapfte er ein Bier nach dem anderen und fuhr sich dabei immer wieder mit seinem Armrücken über die schweißnasse Stirn. Gustaf war noch immer an seiner Seite, aber er arbeitete nicht. Ganz steif stand er da und starrte Kat an, die nach ein paar Liedern zum Tresen ging, um sich von David einen Humpen Bier reichen zu lassen.
    Die Luft im Zelt wurde immer heißer und Noa konnte den Anblick von Kat nicht ertragen. Sie ging nach draußen und hielt Ausschau nach Gilbert.
    Da saß er am Rand eines Tisches und unterhielt sich mit einem Mann – dem Dorfpfarrer, wie sich der ältere, graubärtige Mann Noa freundlich vorstellte.
    »Und?«, fragte er. »Wie gefällt euch das Leben auf dem Land?«
    »Gut«, antwortete Noa abwesend und musterte die Dörfler, wobei sie immer wieder an Elizas Worte denken musste. Dumbo. Wer war Dumbo? Welcher dieser Menschen hier sah aus, als könnte er diesen Spitznamen tragen – oder vor dreißig Jahren getragen haben?
    »Kennen Sie jemanden, der Dumbo heißt?«, fragte sie den Pfarrer unvermittelt.
    »Dumbo?« Der Pfarrer machte ein verständnisloses Gesicht.
    »Nein, so jemanden kenne ich nicht – nicht mal aus der Bibel.«
    Der Pfarrer lächelte und Gilbert sagte: »Dumbo, das ist doch der Elefant aus diesem Kinderfilm, oder nicht? Das fliegende Riesenbaby mit den Segelohren. Ich glaub, der Film ist so alt, den habe ich noch als kleiner Junge gesehen.«
    Noa nickte. Ja, das stimmte, darauf hätte sie auch selbst kommen können. Dumbo, der Elefant mit den Segelohren. Verstohlen blickte sie den Pfarrer an. Seine Ohren, aus denen graue Haarbü-schel quollen, lagen eng am Kopf und auch sonst erblickte sie niemanden, auf den diese Beschreibung hätte passen können – au-ßer eins der Kinder, ein Mädchen, spindeldürr und hellhäutig wie eine Elfe. Es hockte auf dem Schoß seiner Mutter und spielte an den Knöpfen ihrer Bluse. Ja, seine Ohren standen so sehr vom Kopf ab,

Weitere Kostenlose Bücher