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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Herz. Traurig war se, das hab ich immer gesagt.« Ein dünnes Lächeln erschien auf den Lippen des Bauern, sein Ton klang leicht ironisch, als er weitersprach. »Bin ja nur vom Land, aber was ich seh, das seh ich. Auch dass was nicht gestimmt hat mit den Eltern. Die Mutter hat man kaum gesehen, die war immer im Haus, der Vater draußen, im Garten, in der Wirtschaft, immer am Lachen, geschwätzt hat er mit allen im Dorf. Aber die Eliza, die hat er nicht beachtet. Wie se manchmal neben ihm stand, als wär se gar nicht da. Ich hab’s immer gesagt, damals, zu meiner Schwiegermutter. Hab gesagt, der Vater mag sein eigenes Mädchen nicht. Den Gustaf, den mochte er. Der Robert hat im Haus gearbeitet, aber den Gustaf, den hat der Steinberg eingeladen. Hat ihn behandelt wie einen eigenen Sohn. Hat ihm alles bezahlt, auch die Ohren.«
    »Die Ohren?« Noa stieg das Blut zu Kopf, als sie wieder an das Foto aus der Mühle dachte. »Was meinen Sie damit, er hat ihm die Ohren bezahlt?«
    »Geld gegeben hat er ihm«, schnaubte der Bauer. »Dass der Junge sich die Ohren machen lässt. Gelacht haben se, das ganze Dorf hat gelacht. Selbst ich hab schmunzeln müssen. Aber Gustaf hat’s gemacht. Ging mit dem Doktor ins Krankenhaus und kam zurück mit neuen Ohren.«
    Die Segelohren, dachte Noa. Gustaf hat sich operieren lassen. Und Elizas Vater hat es ihm bezahlt. Jetzt ergab zumindest das Sinn.
    Aber das war noch immer keine Antwort, warum die beiden Brüder sich entzweit hatten. Wohl bestimmt nicht wegen einer Ohrenoperation.
    »Eines Tages ist se dann weg«, fuhr der Bauer jetzt fort. »Zurück in die Stadt, mit den Eltern. Hat sich noch von uns verabschiedet. Wollten am nächsten Wochenende wieder kommen, aber kamen nicht.
    Dafür kam die Polizei. Wollten wissen, wer se gekannt hat, die Eliza. Pah. Jeder hat se gekannt, wir sind hier keine Großstadt. Und jeder hat se gemocht, der Gustaf, der Robert, der Thomas, alle. Mit wem se was hatte, das wusst ich nicht, das geht mich nichts an. Das hab ich auch der Polizei gesagt. Ich steck meine Nase nicht in andrer Leute Dinge. Bei der Wirtschaft sind se auch gewesen, die Polizisten, aber dann sind se gefahren und dann ist auch der Robert weg. Nach unten in die Mühle. Die hat seinem Vater gehört, da is er rein. Hat sich im Dorf kaum blicken lassen, bis heute nicht. Was es mit dem Mädchen zu tun gehabt hat, das hab ich mich doch auch gefragt. Wo se doch in der Stadt verschwunden ist, das Mädchen, nicht hier. So hat’s doch in der Zeitung gestanden. Keiner hat gewusst, was das soll. Nur meine Schwiegermutter faselt, hat auch gefaselt, als die Polizei gekommen ist. Von Schneewittchen und dem schwarzen Prinzen, hat se gesprochen, was soll man davon halten. Die arme Frau ist krank im Kopf, das war se immer schon.«
    Der Bauer sah Noa an, dann David. Er sah erschöpft aus, als hätte er eine harte, lange Arbeit verrichtet.
    David spuckte auf den Boden. Dann drehte er sich um und ging.
    Noa blieb zunächst wie angewurzelt stehen. Dann gab sie sich einen Ruck und rannte hinter ihm her.
    »Warte! Bitte, David, warte!«
    Noa blieb stehen, mitten auf der Straße, vor dem Haus des Bauern, wo jetzt die Alte saß, aber Noa beachtete sie gar nicht, sie hatte nur Augen für ihn.
    Sie schrie jetzt seinen Namen, und da blieb auch David stehen, drehte sich zu ihr um, seine Faust so fest um das T-shirt gekrallt, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    »Was?« Es klang wie ein Pistolenschuss.
    Noa ging auf ihn zu, in einem Meter Abstand blieb sie stehen. Ich liebe dich, David.
    Das war alles, was Noa denken konnte. Ihr ganzer Kopf, ihr Körper, ihr Herz waren voll von diesem Gefühl. Sie atmete es ein und aus, ein und aus. Es war das Einzige, was zählte, aber sie konnte es nicht rauslassen. Sie stand nur da und sah David an. Und David sah sie an, ohne dass etwas geschah. Nichts. Äußerlich geschah einfach nichts.
    Schließlich drehte sich Noa um und bog in die Straße zu ihrem Haus.
    Kat war zurück, sie stand im Flur und kramte in den Jackentaschen herum.
    »Ich hab meinen Assi angerufen«, rief sie Noa zu. »Ich fahre morgen früh nach Düsseldorf, die wollen ein Interview mit mir machen, wegen des Bambis. Gilbert kommt auch mit. Jetzt muss ich nur noch die verdammten Autoschlüssel finden, du hast sie nicht zufällig gesehen?«
    Noa schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich steckten sie im Auto, dort vergaß Kat sie meistens.
    »He«, fragte Kat und musterte Noa besorgt. »Was ist mit dir? Wenn du Lust

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