Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
Vom Netzwerk:
Schulter
und biete ihm als Bezahlung einen Beutel Reeses Erdnussbutter-Riegel an. Er
entreißt mir die Köstlichkeit und klemmt sie zwischen die schweren Schenkel.
    Â»Wohin auch sonst?«, murmelt er.
    Stoßdämpfer quietschen, als wir um die erste Ecke biegen. Die alte
Schule verschwindet aus meinem Blickfeld, wahrscheinlich für immer. In dem
Rundspiegel, der hoch über dem Platz des Fahrers angebracht ist, sehe ich, wie
der Mann einen der Riegel aus dem Beutel holt und die Folie aufreißt. Unsere Blicke
treffen sich, und eine Urangst flackert in seinen Augen auf. Wehe, du rührst sie an! Die gehören mir!
    Ich schiebe eine Hand in die Vordertasche meines Rucksacks, streiche
über Feeneys weiches Plüschfell und hasse die Welt, in der jeder gegen jeden
kämpft.

EINUNDZWANZIG
    ZEIT: JETZT
    Die bequemste Verbindung zwischen den beiden Orten ist
eine Fernstraße. Die kürzeste Verbindung ist der Weg, den wir uns quer durch
das bergige Land suchen. Mein größtes Problem mit der Straße ist die Tatsache,
dass sie keine Deckung bietet. Der Schweizer kann jeden unserer Schritte
mitverfolgen.
    Ich erinnere mich an seine viel zu schnell verheilte Wunde und
überlege, ob er den gleichen Trick anwandte, um den Tod zu überwinden, der ihn
schon ereilt hatte.
    In meinem Kopf tobt der Kampf. Über die Höhenzüge wandern und
unentdeckt bleiben? Oder die Fernstraße nehmen und einen offenen Krieg
riskieren?
    Â»Du kannst nicht im Gebirge gehen«, sagt Irini. Ich weiß, dass sie
recht hat. Keine von uns hat die Trittsicherheit einer Bergziege.
    Ich nicke. Dazu gibt es nichts weiter zu sagen. Außer vielleicht,
dass unser Feind auf der Straße ebenfalls gut sichtbar sein wird.
    Wir sind Panzertürme auf Beinen, so fest verschließen wir unsere
jeweiligen Qualen. Ich klammere mich an den Rat von Eleanor Roosevelt: Tue das, von dem du glaubst, das kann man nicht tun. Ich
klammere mich an Nick, der für immer in meinen Gedanken lebt.

    Zahlen marschieren durch meinen Kopf. Ich unterteile die Gesamtstrecke
in Abschnitte, die wir an einem Tag ohne Schwierigkeiten bewältigen können.
Einhundertvierzig Meilen – eine Kleinigkeit im Vergleich zu der anstrengenden
Reise durch Italien. Aber das Komische an der Vergangenheit ist, dass sie immer
leuchtender und verklärter erscheint, je weiter sie sich von der Gegenwart
entfernt. Die damals zurückgelegten Meilen kommen mir nachträglich leicht und
angenehm vor, ein Genuss gegen die Anspannung und Angst, die unsere Wanderung
jetzt begleitet. Vielleicht liegt es daran, dass der Schweizer mit uns ging,
anstatt uns zu verfolgen, und das, obwohl er eigentlich tot sein müsste.
    Meine Gefühle schwanken, wenn ich an ihn denke. Einerseits mache ich
mir Vorwürfe, dass ich mich nicht vergewissert hatte, ob er wirklich tot war.
Zum anderen bin ich auf verrückte Weise froh, dass ich diesen dunklen Fleck von
meiner Seele reiben kann. Dazwischen meldet sich mein Herz, das seinen
Standpunkt ebenfalls deutlich macht: Wir wären sicherer, wenn er für immer in
einer tiefen Grube der griechischen Felslandschaft läge.
    Die Sonne bewegt sich schneller als wir; sie winkt uns zu, als sie
den Zenit erklimmt und uns überholt. Zu dem Zeitpunkt, da eine kleine
Ansammlung von Steinen am Horizont flimmert, sind meine Schultern geröstet, und
mein Gesicht brennt wie Feuer. Ich danke den Göttern, die gerade zuhören, dass
ich keinen Spiegel besitze. Vermutlich könnte ich meinen Anblick nicht
ertragen.
    Irini mit ihrer von Natur aus dunkleren Haut ergeht es da besser.
Bei ihr vertiefen sich die Brauntöne, während ich zu leuchten beginne. Jetzt
hebt sie den Arm und deutet auf den fernen Steinhaufen.
    Â»Glaubst du an Gott?«
    Â»Wenn es ihn gibt, dann muss er ein Riesen-Arschloch sein. Aber ich
behalte mir das Recht vor, meine Meinung zu ändern, falls wir das hier
überleben.«
    Sie hält den Kopf schräg. Also erkläre ich meine Worte in primitiver
Zeichensprache. Sie ringt sich ein Lächeln ab, aber an der Art, wie sie ihre
Finger gegen die Narben presst, erkenne ich, dass ihr das Schmerzen bereitet.
Ich wechsle das Thema, weil ich nicht will, dass diese liebenswerte Frau
leidet. Sie hat schon genug durchgemacht.
    Â»Was ist das?«
    Â»Ein Schrein der Panagia . Du kennst sie?«
    Ich nicke. »Wir nennen sie die Jungfrau Maria.«
    Â»Wir rasten dort. Ich will für dein Kind

Weitere Kostenlose Bücher