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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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»Ja,
dort hinten.«
    Â»Wie …«
    Mein Kopf explodiert, mein Trommelfell platzt beinahe. Iwan bleibt
nicht genug Zeit für einen überraschten Gesichtsausdruck, als das Geschoss sein
rechtes Auge durchschlägt. Er sackt zusammen, für immer freundlich und hilfsbereit.
    Beide Hände an die Ohren gepresst, schreie ich den Schützen an: »Was
zum Henker stimmt mit dir nicht? Er hat doch nur seine Hilfe angeboten.«
    Der Schweizer schiebt sich an mir vorbei und stößt den Toten mit der
Stiefelspitze an.
    Â»Vorwärts.«

    Â»Volos«, liest Irini, obwohl der erste Buchstabe wie ein B
aussieht. In die Mitte des Namens hat jemand mit groben Strichen ein Zelt skizziert – ein A ohne Querbalken. Kein Jubelchor kündet vom
Auftauchen der Stadt oder von unserer Ankunft. Plötzlich ragt sie aus dem
Staubschleier, ein geometrisches Labyrinth aus Beton. Nehmt
mich, wie ich bin, oder schert euch zum Teufel, sagt sie. Mir ist das egal. Vielleicht sehe ich die Stadt zu
subjektiv, male mit dicken Pinselstrichen des Zweifels die kastenförmigen
Wohnblöcke und ihre verlassenen Balkons. Meine eigenen Ängste lassen Volos
düster erscheinen. Die leeren Tavernen entlang der Promenade fragen spöttisch: Glauben die Menschen, diese Winzlinge, allen Ernstes, dass ihre
Art Bestand haben wird? Die Schiffe und Boote im Hafen sind
Wiederholungen von Piräus. Hier liegen sie etwas tiefer im Wasser, als seien
sie erschöpft von ihrem Kampf gegen die Schwerkraft und das Salz. Die Argo wartet auf ihrer Säule auf Argonauten, die nie mehr in
See stechen und fortsegeln werden.
    Es ist seltsam, sich Dingen aus Stahl verwandt zu fühlen, aber in
meinen Knochen ist die gleiche Schwere wie in den Schiffskadavern, die
allmählich im Meer versinken. Obwohl es vielleicht gemeinsame Vorfahren gibt,
da Metalle im Wesentlichen aus dem Schoß der Erde geboren werden und unsere
Körper letztlich zur Erde zurückkehren. Manche Menschen sind robuster als
andere, manche Metalle so elastisch wie Fleisch.
    So verloren bin ich in meine Gedanken, dass ich die Worte des
Schweizers zwar höre, aber nicht aufnehme.
    Â»Was?«
    Er stößt mich mit der Waffe an. »Wir halten an, habe ich gesagt.«
    Vermutlich, um unsere Vorräte zu ergänzen, oder vielleicht auch nur,
um zu rasten. »Hier?«
    Â»Nein. Dort drüben.«
    Mein Blick folgt der Richtung des Pistolenlaufs zum Friedhof der
Kriegsschiffe. Ein paar Boote haben zwischen den sinkenden Riesen überlebt.
Kleine Fischerkähne meist, in leuchtenden Farben gestrichen wie auf den
Postkarten, die Freunde aus dem Urlaub zu schicken pflegten. Schade, dass du nicht hier sein kannst.
    Â»Weshalb das denn?«
    Er umrundet uns, bis er dicht vor uns steht, hebt die Waffe, zielt
auf Irini und drückt ab. Blut fließt. So viel Blut. Ich kann nicht erkennen,
woher es kommt. Ich sehe nur die hellrote Fontäne. Irini taumelt mir in die
Arme, und ich lasse mich mit ihr zu Boden fallen. Versuche in wilder Panik die
Wunde zu finden. Da ist es, einen Zoll unter dem Rippenbogen. Ein winziges
Ding, denke ich, als ich eine Hand auf die Wunde presse. So winzig, dass ich es
nicht mal mit dem Finger verstopfen kann wie jener kleine holländische Junge,
der so einen Deich abdichtete.
    Ringsum Fluchtgeräusche. Die meisten Lebewesen sind noch Mensch
genug, um Angst vor einer Waffe zu haben. Oder Tier genug, um vor einem lauten
Knall zu erschrecken.
    Ich beiße krampfhaft die Zähne aufeinander. Am liebsten würde ich
wie ein tollwütiges Tier aufspringen und ihm an die Kehle gehen. Aber genau das
versucht er zu erreichen. Mich in die Verzweiflung zu treiben. Auszuloten, wie
viel er mir antun kann, bevor ich zerbreche und den Verstand verliere.
    Â»Was willst du denn noch alles?« Das Sprechen fällt mir schwer.
Meine Kiefer schmerzen von der Anspannung. »Was noch?«
    Â»Dein Baby.«
    Abscheu erfüllt mich, bis ich puren Hass ausstrahle. Es ist ein
Wunder, dass sich dieser unbändige Hass nicht in Materie verwandelt, in etwas,
das ihn erschlägt.
    Â»Die Seuche hat so viele Menschen erwischt. Musstest ausgerechnet du
verschont bleiben?«
    Er schaut mich an. »Ich bin nicht verschont geblieben.«
    Mir stockt der Atem. Diese Antwort hätte ich zuallerletzt erwartet.
    Â»Was soll das heißen?«
    Â»Das, was ich sage. Sie hat mich alles andere als verschont.«
    Â»Und was hat sie dir

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