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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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natürlich, das sehe ich jetzt.
    Er starrt mich mit einer geradezu obszönen Faszination an.
    Â»Ich kann es nicht erwarten, dich aufzuschneiden, Amerika.«
    Â»So wie Lisa?«
    Wir umkreisen einander. Bleiben ständig in Bewegung.
    Â»Nein. Dich erhalte ich am Leben, Amerika. Zumindest lange genug,
bis dieses Ding in dir von selbst atmet. Dann zerschneide ich es ebenfalls,
Stück für jämmerliches Stück.«
    Â»Eines an uns Frauen werden Männer nie ganz verstehen.«
    Â»Und das wäre?«
    Â»Die gefährlichste Zone auf der Welt liegt zwischen uns und den
Dingen, die wir lieben.«
    Â»Wie Schuhe, Schmuck und seichte Vergnügungen?«
    Â»Wie Menschen.« Meine Worte sind Granatsplitter, die ihm um die
Ohren zischen. »Materielle Dinge spielen keine Rolle. Nur Menschen.«
    Â»Das Ding, das in deinem Bauch heranwächst, ist kein Mensch. Es ist
ein Monster – ein Monster Gottes, der Medizin, der Wissenschaft.«
    Seine Worte wirken auf mich wie eine billige Geige. Die Noten sind
da, aber die Melodie klingt falsch, der Ton dünn und hohl.
    Â»Meinem Kind geht es gut.«
    Â»Das kannst du nicht wissen. Nicht mit letzter Sicherheit. Liegst du
nicht manchmal wach und fragst dich: Werde ich ein Scheusal
gebären? Du hast die Ungeheuer da draußen gesehen. Wir haben sie beide
gesehen, oder? Geschöpfe aus mutiertem Fleisch und mutierten Knochen wie diese
Gruselgestalt in Delphi. Dass ich sie umbrachte, war ein Gnadenakt.«
    Â»Wer zum Teufel bist du, dass du es wagst, über Leben und Tod zu
entscheiden?«
    Er greift nach hinten. Zieht die Pistole, die er dem italienischen
Soldaten gestohlen hat.
    Ich falle auf die Knie. Versuche meinen Kopf mit beiden Händen zu
schützen. Sehe Irini im Türrahmen stehen. Sie umklammert eine schwere Dose. Ich
kann nicht erkennen, was es ist. Gehe im Geiste unsere Vorräte durch. Ananas.
Ich glaube, es ist eine Dose Ananas. Und ich weiß, was sie vorhat. Sie will ihm
mit diesem Ding den Schädel einschlagen. Aber ich muss sie davon abhalten. Ihre
Reichweite ist so kurz, dass ihm genügend Zeit zum Schießen bleibt. Sie wird
nicht verstehen, dass ich sie zu schützen versuche. Sie gehört jetzt zu mir, zu
meiner kleinen, arg mitgenommenen Flüchtlingsfamilie.
    Â»Stopp!«
    Sie hört nicht auf mich. Vielleicht versagt der
Englisch-Griechisch-Dolmetscher in ihrem Kopf. Vielleicht ist er einfach zu langsam.
Oder vielleicht ist der Wille, den Mörder ihrer Schwester zu töten, stärker als
alles andere. Sie stürmt vorwärts. Genug Zeit für den Schweizer, die Pistole
umzudrehen und ihr den Griff quer über die Narben zu schmettern. Die gespannte,
glänzende Haut platzt auf, blutet. Sie taumelt zur Seite und sackt zusammen,
eine Hand gegen das geschundene Gesicht gepresst. Die Physik ist kein Freund
der Verlierer. Der Schlag schleudert sie, wohin er will.
    Der Schweizer umkreist uns. Diese Runde hat er gewonnen. Er schwenkt
die Pistole in meine Richtung.
    Â»Steh auf! Los!«

ZWEIUNDZWANZIG
    Wenn zwei Frauen innerlich kochen, herrscht Schweigen.
Komisch, denn man könnte meinen, wir würden wie Silberkessel pfeifen, sobald
der Siedepunkt erreicht ist. Esmeralda presst sich an mich und trottet dahin,
wird langsamer, wenn ich langsamer werde, bleibt stehen, wenn ich stehen bleibe – was nicht oft genug geschieht.
    Â»Weitergehen«, kommandiert er.
    Â»Wir brauchen Wasser.«
    Eine Pause. »In Ordnung.«
    Griechenlands kostbarster Schatz wird nie in den Reiseführern
erwähnt. Überall in der Landschaft verstreut findet man Zapfhähne, gespeist von
Quellwasser aus den Bergen. Sie ragen aus reich verzierten Marmor- und
Steinfassaden. Irini macht den Anfang. Dann kommt Esmeralda. Der Schweizer
bedeutet mir, eine Flasche für ihn zu füllen. Ich komme seinem Befehl nach.
Dann trinke ich für mein Baby und mich. Sobald wir wieder mit genügend
Flüssigkeit versorgt sind, setzen wir unseren Marsch fort.
    Der Schweizer hat mir noch an der Kirche die Karte abgenommen. Die
Orte, die Irini von den Wegweisern abliest, entsprechen nicht der von mir
ausgewählten Route. Ich erkenne das an den verstohlenen Blicken, die sie mir
zuwirft, wenn sie die Namen herunterspult. Aber die Sonne geht immer noch im Osten
auf und im Westen unter. Wir bewegen uns immer noch nach Norden, allerdings auf
einer Küstenstraße, die dicht am Meer entlang

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