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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Köchin, die Typhus übertrug, ohne es zu
wissen. Ich will nur ich selbst sein. Wahrscheinlich hältst du mich für übergeschnappt,
wenn du das hörst, aber … Ach, vergiss es!«
    Ich breche den Anruf ab.
    Dann sitze ich frierend da. Allein mit dem Gefäß. Die grünen
Leuchtziffern des Backofens zählen die Zeit. Als mein Leben siebzehn Minuten
kürzer ist, klingelt mein Telefon.
    Â»Ich muss dich sehen«, sagt Nick. Nicht Dr. Rose. Nick. Meine Wangen
brennen schon beim Gedanken an diesen Namen. Es ist, als übte die
Buchstabenkombination eine Art Voodoo-Zauber auf mich aus.
    Â»Wie immer am Freitagnachmittag?«
    Â»Ich dachte nicht an eine Therapiesitzung.«
    Â»Oh.« Eine Pause. »Wann?«
    Â»Bald. Gib mir ein paar Tage Zeit.«
    In seiner Stimme schwingt eine gewisse Anspannung mit, die mir
verrät, dass ein ernsthaftes Hindernis zwischen uns steht.
    Â»Was ist los, Nick?«
    Ich weiß Bescheid. Ich weiß Bescheid, noch bevor er die Worte
ausspricht.
    Â»Nichts Schlimmes. Nur eine Magen-Darm-Grippe.«
    ZEIT: JETZT
    Willkommen in Brindisi. Genießen Sie
die Sehenswürdigkeiten und lassen Sie sich von der Küche und den Weinen des
Südens verwöhnen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt .
    Diese oder ähnliche Worte könnten auf dem Schild am Ortseingang
stehen. Aber gegen eine solche freundliche Begrüßung spricht der Totenkopf mit
den gekreuzten Knochen. Eine kaum leserliche Inschrift auf einer verwitterten,
mit einem Pfahl in den Boden gerammten Holztafel soll in der Regel vor einer
drohenden Gefahr warnen. Die Mühe hätten sie sich sparen können. Kadaver und
halb verrostete Fahrzeuge übersäen die Straßen und machen ein Durchkommen fast
unmöglich.
    Die Nähe des Meeres bewirkt, dass Metall so schnell rostet. Aber die
Salzbrise trägt auch einen Teil des Verwesungsgestanks fort und hinterlässt
einen vertrauten Brackwasser-Geruch. Ich bin wieder zehn und laufe mit meiner
Eiswaffel über die hölzerne Strandpromenade. Ich bin fünfzehn und schwimme mit
meinen Freundinnen weit hinaus. Ich bin dreiundzwanzig und lasse mich mit Sam
in den Sand fallen, um das zu erproben, was noch nicht Liebe ist.
    Wir durchqueren die Stadt in einer unvollkommenen Dreiecksformation.
Lisa und ich gehen meistens vorn, während der Schweizer ein wenig hinter uns
bleibt. Er trägt die Waffe, die er einem Toten gestohlen hat. Ich stelle mir
vor, dass er gerade überlegt, wohin er mich am liebsten mit einer Kugel treffen
würde. Durch eine Niere vielleicht oder in meine Schulter. Er weiß sicher, wie
er mich besonders lang und schmerzhaft quälen kann.
    Brindisi ist eine Stadt der Hügel und Talmulden. Weiß gekalkte
Häuser starren von ihren Anhöhen herunter, sauber und hell durch den
erbarmungslosen Regen. Zum Zentrum hin umdrängen uns Hochhäuser mit leeren
Büros. Eine lebendige Stadt braucht ihre Bürger. Ohne das Gewusel von Menschen,
die durch die Straßen hasten, Autos ausweichen und sich laut per Handy
unterhalten, wirkt die Luft matt und schwer und Brindisi seelenlos.
Gelegentlich starrt uns ein Gesicht hinter einem schmutzigen Fenster an, um
gleich darauf mit den Schatten zu verschmelzen. Noch gibt es hier Leben, aber
im Moment will es im Verborgenen bleiben.
    Der Zeiger auf meinem Kompass zittert und richtet sich wieder nach
Norden aus. Wir sind in östlicher Richtung unterwegs. Die Sonne leuchtet grell
durch die Wolken, zieht über uns hinweg und wandert nach Westen weiter. Unser
ständiger Begleiter ist der Regen.
    Wir setzen unseren Weg fort, bis die Häuser zurückbleiben. Und dann
breitet sich das Mittelmeer vor uns aus. Aber das hier ist nicht die strahlend
blaue See, die wir aus Reiseprospekten kennen, sondern ein stumpfgrauer
Kummerbund, der den Saum zwischen einem düsteren Himmel und tristen
Betonflächen verbirgt. Das Meer hat sich verändert – genau wie ich.
    Ich wäre am liebsten hinunter ans Wasser gestürmt, aber das schaffe
ich nicht. Stattdessen lehne ich an einer Parkuhr und lasse meinen Tränen
freien Lauf.
    Â»Recht so«, sagt der Schweizer. »Das schwache Geschlecht.«
    Ich drehe mich um und schaue ihn an, eine Hand immer noch auf die
Parkuhr gestützt.
    Â»Krepier doch endlich, Mann! Krepier in einem deiner Scheißfeuer!«
    Er schlägt mir mit der flachen Hand ins Gesicht.
    Der Hieb brennt, aber das macht mir

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