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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Ausschau. Die Elpis wird kommen. Davon bin ich
fest überzeugt. Sie muss kommen. Ich sehne dieses Schiff herbei, weil es all
den Anstrengungen erst einen Sinn gibt. Die lange Reise darf nicht vergeblich
gewesen sein.
    Der Schweizer kommt wichtigtuerisch ins Freie und starrt aufs Meer
hinaus. Seine Gesichtszüge sind härter als der Beton, auf dem wir stehen.
    Â»Wo bleibt dein Boot?«
    Â»Es kommt schon noch.«
    Â»Du hältst an Träumen fest. Glaubst an Dinge wie Liebe, Moral und
Tapferkeit. Frauen wie du warten nur darauf, dass ein edler Ritter sie vor den
schrecklichen Gräueln der Welt rettet. Am liebsten sitzt ihr zu Hause herum und
werdet fett, während ihr kocht und euch den Wanst vollschlagt und immer mehr
Mäuler in die Welt setzt, die unser Planet niemals ernähren kann. Und wozu das
alles? Weil ihr euch zu wichtig nehmt. Weil ihr glaubt, dass euch jemand liebt
und für etwas ganz Besonderes hält. Aber du bist nicht wichtig, Amerika. Du
bist das allerletzte Nichts. Staub.«
    Â»Das Boot wird kommen.«
    Er spuckt aus – einen dicken hellen Batzen mit einem gelben Fleck in
der Mitte. Fast wie ein Ei.
    Der Gedanke überfällt mich, bevor ich ihn abwehren kann: Hoffentlich hat er sich angesteckt.
    Obwohl ich ihn gleich darauf verscheuche, interpretiert der
Schweizer meine Mimik richtig.
    Â»Ich bin nicht krank. Nur die Verlierer kriegen die Seuche.«
    Ich begebe mich auf die Suche nach Lisa. Sie hat einen dieser
Bademeistertürme erklommen, die aus einem nackten Stahlgestänge, einer Treppe
und einem Sitz ganz oben bestehen.
    Â»Auf der Suche nach dem Weißen Hai?«
    Â»Nein. Aber ein Boot kommt.« Sie deutet in eine bestimmte Richtung,
mein blinder Leuchtturm.
    Meine Sehnsucht nach der Elpis ist so
groß, dass ich mich anfangs dagegen wehre, Lisas Worten vollends zu vertrauen.
Dann aber renne ich los. Meine Stiefel hämmern die Uferbefestigung entlang.
Hier und da gibt eine Lücke in den Hafenanlagen den Blick auf das Wasser frei.
Und schließlich sehe ich sie. Sie kommt schlingernd und stampfend in den Hafen,
ein altes, kaltes Grab. Elpis ,die
Hoffnung. Sie ist meine einzige Hoffnung.
    Die Kräfte verlassen mich. Ich kippe nach vorn und habe keine andere
Wahl, als in die Knie zu gehen und mich mit einer Hand nach vorne abzustützen.
Ich komme mir vor wie ein wackliges Stativ.
    Die Kiefer des Schweizers klacken wie die Uhr einer Zeitbombe, aber
er schweigt.
    Â»Ich habe es dir gesagt«, triumphiere ich. »Ich habe es dir gesagt.«
    ZEIT: DAMALS
    Das Gefäß widersteht mir, nicht jedoch dem Hammer, den ich
mir geliehen habe.
    Risse, Splitter, Dreck.
    Knochen.
    ZEIT: JETZT
    Sie bietet keinen imposanten Anblick mit ihren rostroten
Nieten und dem spitz zulaufenden Bug, der die See in schaumige Streifen
zerschneidet. Sie braucht keine Empfehlungen, keine kunstvollen Verzierungen,
um zu verkünden, dass der Hafen ihr gehört, denn sie ist das einzige Schiff
weit und breit, das noch Lebenszeichen von sich gibt. Es sind wenige Passagiere
an Bord. Sie stehen reglos an Deck und beobachten uns. Als sie nahe genug sind,
versuche ich, ihre Gesichter zu erkennen. Ich halte eine Hand über die Augen
und sehe nur den Widerschein meiner eigenen Traurigkeit.
    Die Laufplanke schwankt, als der Kapitän mit schweren Schritten an
Land stapft.
    Â»Griechenland?« Die Worte bahnen sich mühsam einen Weg durch seinen
Schnurrbart.
    Â»Ja – bitte«, sage ich.
    Â»Erst bezahlen.«
    Die Währungen von einst sind längst wertlos, und ich besitze ohnehin
kein Geld. Was ich bieten kann, ist Seelenfrieden, Entspannung und eine kurze
Flucht, alles vereint in einer winzigen weißen Pille. Er kennt die Dinger. Gier
flackert in seinen Augen auf, als ich die Packungen aus meiner Tasche ziehe und
ihm als Entgelt für meine und Lisas Passage anbiete.
    Er nickt. Der Handel ist perfekt. Ich reiße hastig das Gepäck an
mich. Endlich, endlich kann die Suche nach Nick beginnen.
    Der Schweizer und ich stehen uns gegenüber.
    Â»Von jetzt an trennen sich unsere Wege. Lisa, wir gehen.«
    Â»Ich komme mit euch«, widerspricht er.
    Â»Nein.«
    Â»Die Welt ist frei. Ich kann reisen, wohin ich will, und brauche
dafür noch nicht mal einen Pass. Von dir lasse ich mir keine Vorschriften
machen. Du bist ein Niemand.«
    Unsere Blicke treffen sich. In seinen Augen sehe ich eine Wüste, in
der nichts überleben kann. Ich wende mich

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