Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
Vom Netzwerk:
die gleiche. Aber ich glaube, das ist noch keinem außer
mir aufgefallen, sonst stünde es doch längst in den Zeitungen, oder?«
    Ich sage ihm nicht, dass es mir ebenfalls aufgefallen ist. Und ich
verrate ihm auch nicht, dass ich zwischen Erleichterung und Panik schwanke,
weil noch jemand außer mir den Zusammenhang sieht.
    Â»Also sagte ich mir: ›Jessie, das könnte die Story sein, auf die du
gewartet hast!‹ Mein Dad wird begeistert sein, wenn er merkt, dass ich doch zu
was tauge, und die Leute halten mich dann vielleicht nicht mehr für ganz
verrückt. Zunächst suchte ich die Angehörigen einiger Verstorbener auf und bat
sie um ein Interview. Die meisten sagten so Sachen wie: ›Mann, siehst du nicht,
dass wir hier trauern? Hau ab und kümmere dich um deine eigenen
Angelegenheiten!‹ Doch es gab auch welche, die weit schlimmere Worte benutzten.
Die mit ›F‹ – wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er verzieht ängstlich das
Gesicht und blickt sich um. »Hoffentlich hat das jetzt keiner gehört.«
    Â»Bestimmt nicht.«
    Â»Aber wissen Sie was? Manche dieser Leute redeten mit mir. Und sie
erzählten alle die gleichen Geschichten und schilderten alle die gleichen
Symptome, und das fand ich schon unheimlich, denn wie können Menschen, die in
ganz verschiedenen Städten und Staaten leben, an der gleichen Krankheit
sterben?«
    Mein Herz tut ein paar Sprünge, wie ein Stein, der über eine Wasserfläche
hüpft, und dann scheint es für kurze Zeit ganz stillzustehen.
    Â»Woher wissen Sie das?«
    Â»Das habe ich Ihnen doch erklärt. Ich entdeckte die Muster in den
Zeitungen. Dann nahm ich den Bus – eigentlich viele Busse – und besuchte alle
möglichen Leute. Mein Dad meinte, ich sei verrückt, und ich sollte mir endlich
einen Job bei McDonald’s oder sonst wo suchen, aber der Fettgeruch in diesen
Läden ist nichts für mich, und deshalb machte ich lieber die Befragungen,
obwohl ich dafür so viel mit dem Bus fahren musste. Da war zum Beispiel diese
echt nette Dame in Little Rock, die mir erzählte, dass ihre Katze und ihr Mann
gestorben waren und dass sie die beiden gemeinsam begraben wollte, aber das
ging nicht, weil das Bestattungsamt das nicht erlaubte. Ich finde ja, tot ist
tot, und das hätten die schon erlauben können, wo es doch sein letzter Wunsch
war. Von dieser Dame erfuhr ich, dass zuerst ihr Mann krank wurde, so schlimm,
dass er ständig Blut erbrechen musste. Sie entschuldigte sich, weil wir gerade
in ihrer Küche saßen und Red Velvet Cake aßen und sie Angst hatte, mein Magen
könnte rebellieren. Dann erzählte sie noch, dass ihr Mann diese sonderbaren
Schmerzen an allen möglichen Stellen bekam, als sei er von einer Voodoo-Puppe
verhext, in die jemand Nadeln gestochen hatte. Zwei Wochen später starb er. Und
nach der Beerdigung, sagte sie, sei der Leichenbestatter zu ihr gekommen und
habe gefragt, ob ihr Mann schon immer einen Schweif auf dem Rücken gehabt
hätte. Sie sagte Ja, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte, verriet
mir aber im Vertrauen, dass sie bei ihrem Mann niemals einen Schweif gesehen
hätte, obwohl sie vierzig Jahre lang verheiratet gewesen waren. Ist das nicht
seltsam? Und wissen Sie, was noch seltsam ist? Ich sah jede Menge Steine in
Little Rock, konnte aber nicht herausfinden, welcher davon dem Ort seinen Namen
gegeben hatte.«
    Â»Weshalb sind Sie eigentlich nicht im Krieg?«
    Â»Aus Gesundheitsgründen vom Militärdienst befreit. Wissen Sie, was
damit gemeint ist?«
    Â»Das gibt es öfter.«
    Er nickt und blickt starr auf die Sitzlehne vor sich. »Die Ärzte
sagen, ich hätte das Asperger-Syndrom. Das heißt eigentlich nur, dass ich
anders bin. Anders kann gut oder schlecht bedeuten,
je nachdem, wer das Wort benutzt.«
    Er beginnt mit den Fingern zu trommeln. Anfangs denke ich, dass er
auf einem unsichtbaren Klavier spielt, aber als ich länger hinschaue, erkenne
ich Muster.
    Â»Nach Little Rock suchte ich noch mehr Orte auf, und dann fuhr ich
heim, weil sie da am College eine riesige Bibliothek haben. Früher hätte ich ja
einfach bei Google nachgeschaut, aber jetzt musste ich es auf die altmodische
Art machen, und das war nach all den Busfahrten ganz schön anstrengend, obwohl
die zum Glück noch ein internes System haben, mit dem man nach Büchern und Zeitschriften
suchen kann. Und soll ich

Weitere Kostenlose Bücher