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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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mehr von Fernsehgeräten oder Toastern, die nicht nur
Brot rösten, sondern auch noch Eier und Schinken brutzeln können. Der Tod ist
der große Ernüchterer.
    Klack, klack.
    Meine Füße versagen den Dienst. Sie rutschen in den Stiefeln hin und
her und ignorieren die Flut von Botschaften, die mein Gehirn aussendet.
    Klack, klack.
    Ich weiß, wo ich bin. Ich will es mir nicht eingestehen, aber ich
weiß, wo ich bin. Es gibt nur eine Art von Einrichtungen, die auf der ganzen
Welt den gleichen Geruch verbreiten. Allem Anschein nach bekommen sie ihre
Putzmittel alle von einem einzigen Lieferanten. Ich weiß es. Ich habe mit dem
Zeug gearbeitet. Der Geruch ist mir so vertraut wie frisch gebackene
Schokokekse oder Nicks sonnenwarme Haut.
    Das hier war eine Klinik. Oder sonst ein medizinisches Zentrum. Die
Einrichtung verrät nichts; die Bilder sind die üblichen Landschaftsdrucke:
Blumenwiesen, eine Kuh auf der Weide. Von einer Wand starrt mir die
Muttergottes entgegen. Stumm schaukelt sie das Jesuskind auf den Knien.
    Lisas Blut ist auch hier, überall auf dem Boden verschmiert. Ein
monochromer Regenbogen, der den Gang entlangführt und um die nächste Ecke
verschwindet.
    Fichtennadeln und Blut. Kupfer und Herbst.
    Klack, klack.
    Meine Beine bewegen sich, als seien sie neu. Die Gelenke knirschen
und quietschen. Aber dann merke ich, nein, das bin nicht ich, diese Geräusche
kommen vom anderen Ende des Lisa-Regenbogens, das meinen Blicken verborgen ist.
Es sind die Geräusche von Bestecken, die in einem Edelstahl-Becken klirren.
    Klack, klack.
    Ich weiß nicht, wer auf die witzige Idee kam, eine Führungslinie aus
gelben Bodenfliesen den Gang entlangzuziehen. Löwen, Tiger und Bären – ach, du
meine Güte! Ich folge ihnen, wie das verirrte kleine Mädchen tun, um den
Zauberer aufzuspüren, der sie auf kürzestem Weg nach Hause bringen soll.
    Den Gang entlang. Rechts abbiegen. Immer den gelben Fliesen nach. An
manchen Stellen, wo sich Lisas Blut mit dem Gelb vermischt, sind sie orange.
Eine Tür, die einen Spalt offen steht, und den Blick auf die Welt dahinter
preisgibt. Ich stoße sie mit dem Knie weit auf.
    Klack, klack, peng!
    Lisa ist da. Zumindest glaube ich, dass sie es ist. Ich kann vor lauter
Blut kaum etwas erkennen. Sie liegt auf dem Untersuchungstisch, die Beine in
Bügeln festgeschnallt, die Arme schlaff nach unten hängend, der Kopf kraftlos
zur Seite gekippt. Sie starrt mir entgegen, aber sie erkennt nicht, dass ich
hier bin. Sie wird nie mehr etwas erkennen, außer vielleicht, ob es den Hades
oder Gott oder sonst ein Wesen, zu dem sie betete, wirklich gibt.
    Am unteren Ende des Tisches steht eine zweite Gestalt, die Kleidung
von Blut durchtränkt, das blonde Haar voll hellroter Spritzer. Lisa ist tot,
aber ihr Blut fließt, als sei sie noch lebendig.
    Der Schweizer wendet sich mir zu. Die blauen Augen in seinem rot
verschmierten Gesicht wirken völlig verstört.
    Â»Er muss doch da sein«, murmelt er. »Er muss da sein.«
    Â»Was hast du ihr angetan?« Meine Kehle ist rau; meine Lippen fühlen
sich taub an. Es ist ein Wunder, dass ich die Worte in einer vernünftigen
Reihenfolge hervorbringe.
    Dann hebt er den Kopf und blickt mich an. »Er muss da sein.«
    Â»Was redest du da?«
    Â»Der Fötus!«, schreit er und schleudert die Schale an die Wand. Sie
prallt zurück und landet vor meinen Füßen. »Sie war schwanger. Es müsste ein
Fötus da sein. Wo ist er geblieben?« Seine Stimme überschlägt sich.
    Â»Du hast sie umgebracht«, stelle ich ruhig fest.
    Er schüttelt den Kopf so heftig, dass von seinen Haaren Blut an die
Wand spritzt. »Nein, nein, nein! Sie hat sich selbst umgebracht. Sie hat mit
ihrem Vater geschlafen und ist schwanger geworden. Dann kam sie zu mir.
Freiwillig. In der Nacht. ›Hilf mir!‹, hat sie gebettelt. Wie hätte ich
ablehnen können? Ich habe schon vielen Frauen in ihrer Lage geholfen.«
    Â»Du hast sie umgebracht.«
    Â»Ich … habe … sie … nicht … umgebracht!«, brüllt er. Er zittert vor
Zorn, aber er blickt mich nicht an. »Wo ist er? Wo hat sie ihn versteckt?« Er
wirbelt herum. »Du hast ihn weggenommen, oder?«
    Ich verstehe das alles nicht. Lisa war schwanger. Das hat er
behauptet. Die Morgenübelkeit. Nichts, was auf White Horse hindeutete. Wenn
nicht das – was dann?
    Tränen rollen mir über

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