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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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das Wasser und ließ es über sich hinwegsprudeln, ließ es mit seiner reinigenden Kühle ihre Wunden auswaschen.
    Ihre Schmerzen wurden weniger. Die Kühle trug dazu bei, die Ver- brennungen verheilen zu lassen, und das vollkommen saubere Was- ser half ihrem Blut, die nahende Infektion aus ihrem Körper zu spülen. Wenn der Heilungsprozess jedoch in üblicher Geschwindigkeit verlau- fen sollte, brauchte sie neue Nahrung.
    Sie lag in der sprudelnden Quelle und rollte sich behutsam umher, damit das Wasser jede Stelle ihres Körpers erreichte und die ver- brannten Hautfetzen und den Schmutz fortspülte, der sich in ihren Brandwunden gesammelt hatte. Allmählich verschwand der durchdrin- gende Gestank der Verbrennungen, bis sie nur noch das frische Was- ser und den Wohlgeruch ihres Körpers wahrnahm.
    Nach einer Weile erhob sie sich und ging zum Flussufer, ein nacktes, verbranntes Geschöpf, graziös und, wie sie annahm, kreidebleich. Sie suchte nach einer Ausstiegsluke, durch die sie zur Stadt und den Nah- rungsvorräten hochsteigen konnte, die die Straßen bevölkerten. Statt einer Ausstiegsluke entdeckte sie eine Tür aus Stahl, die hoch oben am Ende einer Reihe von Eisensprossen lag. Die Tür war halb so hoch wie üblich und hatte statt einer Klinke einen Hebel. Sie stieg die Sprossen hoch und zog an dem Hebel, der mit einem dumpfen Knall nach unten fiel. Sie zog die Tür auf und sah einen dunklen Raum voll surrender Maschinen vor sich.
    Sie betrat den Raum. Im Gegensatz zu der feuchten Kälte, in der sie sich stundenlang aufgehalten hatte, war es hier drin warm und trocken.

Es kam ihr entsetzlich heiß vor, obwohl sie wusste, dass dies nur an dem plötzlichen Temperaturwechsel lag.
    Ihre Nasenflügel waren verbrannt, doch ihr Geruchssinn schien ein- wandfrei. Sie roch Maschinenöl, Verbrennungsgase und den Duft von Elektrizität. Dies war ein Heizraum. Sie wusste, was Dampfkessel und Heizöfen waren. Sie benutzte derlei Dinge für ihre eigenen Zwecke. Dieser erinnerte sie an den Ehler, den sie zu Hause hatte, ein gutes Gerät mit einem großen Feuerkasten.
    Hinter dem Heizofen sah sie eine Treppe. Sie ging hoch, legte ein Ohr an die Tür und lauschte mit angehaltenem Atem. Auf der anderen Seite vernahm sie Schritte, langsame Schritte, tip-tap, tip-tap. Es wa- ren mehrere Personen, die immer wieder stehen blieben und nach ei- nigen Augenblicken weitergingen. Plötzlich begann eine Stimme, auf Englisch zu reden. Sie sprach über die Herstellung von Wandteppi- chen.
    Dieses Kunsthandwerk hatte es hier schon gegeben, als sie das letzte Mal in der Rue des Gobelins gewesen war. Gegenüber dem Haus ihrer Mutter hatte es eine Wandteppich-Manufaktur gegeben. Es gab sie also immer noch, heute aber gab es auch Zuschauer, Men- schen aus der englischsprachigen Welt, die durch die Arbeitsräume geführt wurden.
    Sie drückte die Türklinke herunter. Verschlossen. Aber dies war kein Problem. Die Menschen hatten nie gelernt, funktionierende Schlösser zu bauen. Sie rüttelte einige Male behutsam an der Tür, dann sprang der Schlossriegel auf. Sie wusste genau, wonach sie suchte: nach ei- ner Frau in ihrer Größe, möglichst ohne Begleitung.
    Die Touristengruppe bestand aus etwa zwanzig Leuten, die an großen, in Webstühlen hängenden Wandteppichen entlanggeführt wurden. Sie trat in den schwach beleuchteten Bereich hinter der Tür hinaus und huschte hinter den nächsten Webstuhl. Auf der anderen Seite arbeitete eine Weberin, die auf ihr Pedal trat und einen Stofffa- den durch den Schlegel führte.
    Unter dem Arbeitskittel trug die Frau irgendeine dunkle Kleidung; was genau, konnte Miriam nicht erkennen. Etwas Legeres, wie es für die modernen Zeiten typisch war. Sie beobachtete das Geschöpf. Die Frau schien völlig in ihrer Arbeit versunken. Miriam lauschte den Erklä- rungen des Führers. Die Touristen kamen näher. In wenigen Augenbli- cken würden sie die Weberin erreichen und ihr bei der Arbeit zu- schauen.

Miriam trat in das Blickfeld der Weberin. Die Frau bemerkte sie vor lauter Konzentration nicht. Miriam ging näher heran. Nun unterbrach die Frau ihre Arbeit und blickte beiläufig zu ihr auf, doch dann sah sie genauer hin. Ihre Kinnlade fiel herunter. Sie starrte die nackte Erschei- nung von oben bis unten an. Ein mitfühlender Ausdruck legte sich über ihre Züge, dann der des schieren Entsetzens, als ihr klar wurde, dass die Frau schwere Verbrennungen erlitten hatte.
    Miriam trat zu ihr heran. Sie taumelte, tat so,

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