Wicked - Die Hexen von Oz
sähe sie sie zum ersten Mal, was Nor gar nicht gefiel. Sie wich an die Tür des Kartoffelkellers zurück. »Was habt ihr in meinem Zimmer zu suchen?«, herrschte Elphaba sie an.
»Bloà Papier«, sagte Nor kläglich, und in einem verzweifelten Rettungsversuch setzte sie hinzu: »Ich habe Bilder für alle gemalt. Willst du sie mal sehen? Komm mit!«
Mit Plapperaff auf dem Arm folgte Elphaba den Kindern in den zugigen Saal, wo der Wind unter der Haustür hindurchblies und die Blätter gegen die Steinwände wehte. Die Schwestern kamen in sicherem Abstand hinterdrein.
Elphabas Stimme wurde eisig. »Das ist mein Papier«, sagte sie. »Ich habe dir nicht erlaubt, es zu nehmen. Sieh her, hintendrauf stehen Wörter. WeiÃt du, was Wörter sind?«
»Na klar weià ich das, denkst du, ich bin dumm?«, erwiderte Nor kess.
»Du lässt gefälligst meine Papiere in Ruhe!«, sagte Elphaba. Dann sausten sie und Plapperaff die Treppe hinauf, und die Tür zum Turm knallte hinter ihnen zu.
»Wer will Lebkuchen ausrollen helfen?«, fragte Zwei, die froh war, dass es nicht richtig gekracht hatte. »Und dieser Saal sieht sehr nett aus, ihr Knirpse. Ich bin sicher, Prinella und Lurlina werden heute Nacht beeindruckt sein.« Die Kinder gingen mit in die Küche zurück und machten Lebkuchenmenschen, Lebkuchenkrähen, Lebkuchenaffen und Lebkuchenhunde, aber Lebkuchenbienen gingen nicht, die waren zu klein. Als Irji und Manek hereinkamen und verschneite Zweige auf den Schieferboden schmissen, halfen auch sie beim Backen mit, aber sie machten unanständige Figuren, die sie den beiden kleineren Kindern nicht zeigten, und sie naschten in einem fort den rohen Teig und lachten hysterisch darüber, was allen anderen auf die Nerven ging.
Als die Kinder am Morgen aufwachten, liefen sie nach unten und sahen nach, ob Lurlina und Prinella dagewesen waren. Jawohl, da stand ein brauner Weidenkorb mit einem grüngoldenen Band daran (den Korb und das Band kannten Sarimas Kinder schon seit Jahren), und darin lagen drei kleine bunte Schachteln mit je einer Orange, einer Puppe, einem Beutelchen Murmeln und einer Lebkuchenmaus.
»Wo ist meine?«, fragte Liir.
»Ich sehe keine mit deinem Namen drauf«, sagte Irji. »Guck: Irji. Manek. Nor. Wahrscheinlich hat Prinella sie in euerm alten Haus für dich abgegeben. Wo hast du früher gewohnt?«
»Ich weià nicht«, sagte Liir und fing an zu weinen.
»Hier, du kannst den Schwanz von meiner Maus haben, nur den Schwanz«, sagte Nor freundlich. »Aber erst musst du sagen: Darf ich bitte den Schwanz von deiner Maus haben?«
»Darf ich bitte den Schwanz von deiner Maus haben?«, sagte Liir, obwohl die Worte kaum zu verstehen waren.
»Und ich verspreche, dir zu gehorchen.«
Liir murmelte es nach. SchlieÃlich war der Handel getätigt. Aus Scham erwähnte Liir das Versäumnis nicht. Sarima und die Schwestern merkten es gar nicht.
Elphaba lieà sich den ganzen Tag nicht blicken, doch sie lieà ausrichten, dass die Lurlinalien sie immer krank machten und sie ein paar Tage allein sein wolle. Sie wünsche, weder mit Essen, Besuch noch irgendwelchem Lärm gestört zu werden.
Und während Sarima sich in ihre kleine Kapelle begab, um an diesem Tag ihres Mannes zu gedenken, sangen die Schwestern und die Kinder, so laut sie konnten, Festtagslieder.
4
Einige Wochen später, als die Kinder sich gerade eine Schneeballschlacht lieferten und Sarima in der Küche eine Art Heilgrog kochte, verlieà Elphaba schlieÃlich ihr Zimmer, schlich die Treppe hinunter und klopfte bei den Schwestern an die Tür.
Sie taten es ungern, doch sie fühlten sich gezwungen, die Besucherin willkommen zu heiÃen. Das Silbertablett mit Flaschen voll hochprozentiger Getränke, die kostbaren Kristallwaren, auf Eselsrücken aus dem fernen Dixxi-Haus in Gillikin importiert, die schönsten und rotleuchtendsten einheimischen Teppiche auf dem FuÃboden, der Luxus zweier gegenüberliegender Kamine, beide mit einem munter brennenden Feuer â die Szene wäre wohl etwas dezenter gewesen, wenn Elphaba sich vorher angekündigt hätte. Jetzt konnte Vier nur noch den Lederband, aus dem sie gerade vorgelesen hatte, unter den Sofapolstern verstecken, die pikante Geschichte einer armen jungen Frau, die sich vor schönen Freiern kaum zu retten weiÃ. Es war einst ein Geschenk von Fiyero
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