Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
recht geschieht. Erzählst deinen Jungs einfach, bei uns gäb‘s Geburtstag mit Kuchen.“
Anni wollte eine lange Verteidigungsrede anstimmen, wurde aber durch einen erneuten Hustenanfall abgelenkt. „Warte nur, bis ...“, war alles, was ich verstehen konnte.
Wieder klingelte es, zwei Mal kurz und einmal lang. Na endlich!
Ich ließ die Reißzwecken fallen, stürzte zur Tür und öffnete sie hastig. Dabei verhedderte ich mich in der Telefonschnur und einem zu Boden gegangenen Luftballon, stolperte und fiel ... direkt in Roberts Arme, der es sich als stolzer Großvater nicht hatte nehmen lassen, seinen Nachkommen den Weg zu ebnen.
„Du bist aber stürmisch“, freute er sich.
„Wag es ja nicht!“, schimpfte ich und rappelte mich wieder auf. Ich umarmte Svenja noch im Hausflur und wischte eine vorwitzige Träne aus dem Augenwinkel. „Herzlich willkommen, Mama Svenja!“
„Danke, Oma Yvi!“
Da war es wieder, dieses Unwort, das ich am liebsten mit sofortiger Wirkung aus dem deutschen Sprachschatz gestrichen hätte. Svenja, die sich auf meinen nun Besorgnis erregend blassen Teint keinen Reim machen konnte, schickte mich zum Ausruhen auf die Couch, schritt durch die geschmückte Eingangstür und begrüßte die anderen. Gerührt nahm sie Gummibärchen und kopflose Gänseblümchen im Namen ihrer Tochter entgegen, bedankte sich bei Anni für den schönen Empfang, und drückte schließlich Robert die Tasche mit dem Baby in den Arm.
„Da, mach dich nützlich. Mama braucht grad eine Pause, wie du siehst, ist halt auch nicht mehr die Jüngste.“
Nun musste ich mich wirklich setzen. Eifersüchtig beobachtete ich die vorsichtigen Kontakte meines Ex mit dem Säugling. Nein, ich gönnte es ihm nicht, heute im trauten Kreis der Familie Kims Eintritt in unser Leben zu feiern, erst sollte er seine Zugehörigkeit beweisen. Er sollte die verlorene Zeit mit Svenja bis an sein Lebensende bereuen und nicht jetzt durch Kim alles nachholen dürfen. Das war nicht fair!
Als Kim unter seinen ungeschickten Händen erwachte und schrie, sprang ich sofort auf und riss sie hoch. „Pass auf, dass du nicht wieder etwas kaputt machst“, zischte ich und drehte mich so, dass er die Kleine nicht mehr sehen konnte.
Robert sah zu Lotta. Die warf ihm warnende Blicke zu und zeigte auf den Sessel.
„Einzelsitz“, murrte er. „Willst du mir damit etwas sagen?“
„Wenn du ihn nicht willst, nehmen wir ihn“, freute sich Pascal und stürmte mit lautem Gejohle den verschmähten Sessel. Ich bemühte mich, zwischen Indianergeheul und Kindergeschrei den Überblick zu behalten und die von Falks Strauß noch übrigen dreizehn (!) Rosen in Sicherheit zu bringen, als zu allem Überfluss auch noch das Telefon klingelte.
Anni, die am nächsten stand, griff routiniert nach dem Hörer. „Wer stört?“, brüllte sie.
Schweigen.
„Hallo?“, hakte sie nach. „Ist da wer?“ Mit der freien Hand versuchte sie, ein vorbeiflitzendes Kinderbein zu erhaschen, griff aber ins Leere.
„Ätsch, zu langsam!“, grölten die Jungs begeistert.
„Ich hätte gern Signora von Grünberg gesprochen“, meldete sich nun eine tiefe und unglaublich erotische Stimme, die ich in der plötzlichen stille bis in meinen Sessel hinein vernehmen konnte.
In Annis Augen glitzerten Sommer, Sonne, Meer – und mehr! Ihre Pupillen weiteten sich, dann legte sie den Finger auf den Mund und verwandelte sich von der lebens- und liebeslustigen Powerfrau in eine Angestellte mit Stil.
„Sehr wohl, mein Herr ... wie war doch noch Ihr Name? … Ja, vielen Dank. Frau Dr. von Grünberg wird jeden Augenblick zurück sein, wenn Sie sich bitte einen Moment gedulden würden ...“
Sie formte mit den Lippen das Wort ANDREA und suchte Blickkontakt.
Ich war vor Schreck tief in den freien Sessel gerutscht, mitten auf einen der sich windenden Zwillinge. „Yvi, geh runter von mir oder willst du mich ersticken?“, japste der.
Ich ließ ihn laufen und suchte nach jemandem, dem ich das noch immer schreiende Baby geben konnte. Ich übersah absichtlich Roberts willig ausgestreckte Arme und entschied mich für Svenja: Sie hatte das Kind gebracht, sollte sie auch lernen, wie man es beruhigt.
„Was ist jetzt?“, fragte Anni, die Hand noch immer über die Sprechmuschel gelegt. „Gehst du ran oder soll ich eine Ausrede erfinden?“
„Wer ist denn dran?“, brüllte Pascal. „Noch eine Überraschung für Kim?“
Anni langte nach ihm und verfehlte seinen Rücken nur um Haaresbreite.
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