Wickelkontakt - Roman
auseinanderzusetzen, dass Maja– es war inzwischen bestätigt worden, dass wir ein Mädchen erwarteten, und so nannten wir sie jetzt schon Maja– so einiges in unserem Leben durcheinanderbringen würde. Aber das hatte doch Zeit! Jetzt wollte ich meine lästige Schwangerschaft noch so lange bejammern, wie sie andauerte. Damit fühlte ich mich sicher und hatte die Situation fest im Griff. Es gab aber auch die anderen, intensiven und schönen Momente, nur ließ ich sie nicht so oft zu, damit sie mich nicht verunsichern konnten.
Zu Hause warf ich einen Blick in Majas Reich. Das Zimmer war fertig eingerichtet, ich hatte mein Ankleidezimmer geopfert, und Jonas hatte kistenweise Klamotten in den Keller gebracht. Auf blassgelbem Grund hüpften nun artige Bauernhoftiere einmal rund um Bettchen, Wickeltisch, Wandregal und Stillschaukelstuhl, vorbei an den gelben Vorhängen mit Sternchen, die ich selbst genäht hatte, und wenn das Licht ins Zimmer fiel, sah Majas Neun-Quadratmeter-Welt wirklich ganz verzaubert aus. Ich setzte mich etwas umständlich in den Stillstuhl und fing an zu schaukeln. Maja mochte das, sie wurde dann immer ganz ruhig. Um ihr noch etwas Gutes zu tun, zog ich die Spieluhr auf und legte sie mir auf den Bauch. Egal, wie es werden würde, wie sich alles entwickelte: Ich war glücklich, ich liebte mein Baby und wollte nur, dass es endlich bei mir war.
In der Firma war niemand recht begeistert gewesen, als ich angekündigt hatte, mich erst nach dem ersten Babyjahr zu entscheiden, wie es weitergehen sollte. Immerhin war ich freie Mitarbeiterin und konnte kommen und gehen, wie es mir beliebte. In der letzten Zeit beliebte es mir aber eher zu gehen und gar nicht mehr wiederzukommen.
Nach einem Zwischenfall während einer Straßenumfrage hatte ich sogar erwogen, etwas ganz anderes zu machen. Schwanger wie ich Ende des siebten Monats nun mal war, hatte ich neulich eine ziemlich leichte Umfrage zum Thema » Was machen Sie mit Ihren Kindern am Wochenende bei dem schönen Wetter?« bekommen. Voller Elan war ich, begleitet von Kameramann Ralf, auf eine junge Mutter zugewatschelt, die sich vor einem Rossmann-Markt eine Zigarette ansteckte, während ihr kleiner Sohn auf dem Feuerwehrwagen, wie sie immer vor Supermärkten stehen, eine kleine Runde drehen durfte. Meiner Meinung nach war sie circa dreißig Jahre alt, und wie es aussah, hatte sie zwei Kinder dabei– ihre große Tochter, die genervt ihren Bruder beobachtete, und den Kleinen, der stolz auf dem Wagen fuhr und ungefähr drei Jahre alt war. Ich trat lächelnd auf sie zu, stellte ihr freundlich meine Frage und wurde unversehens angemeckert.
» Nääääh, das sind nich meine Kinder. Aso, die hier schon, die is meine Tochter, und der Lüdde, das is ihr Sohn. Na, Michèle, der Lorenzo is ja deiner, der is nich von mir– wobei wir auch immer noch nich wissen, von wem der eigentlich iss…«
Aha, dachte ich. Nachdem wir die Familienverhältnisse geklärt hatten, könnte ich ja nun vielleicht eine Antwort auf meine Frage bekommen. Ich fragte also noch mal, besonders freundlich, nach ihren geplanten Wochenendaktivitäten. Die Angesprochene drehte sich von mir weg (vielleicht dachte sie, ich sähe sie dann nicht mehr), die ungefähr vierzehnjährige Michèle zündete sich nun ebenfalls eine Zigarette an, und Lorenzo rief begeistert: » Feuerwagen fährt!«
Ich lächelte ihn an und wollte ihn gerade fragen, was er denn am Wochenende machen wollte– Kinder kommen in Wetterumfragen auch immer super–, doch dann ließ ich es abrupt sein, als seine junge Oma die Hand hob und ihn anschrie: » Hör auf damit, du kannst ja noch nich ma richtig sprechen! Jetz halt die Klappe und fahr auf deinem blöden Wagen.« Ich war entsetzt. Die Umfrage mutierte zusehends zu einer Reportage zum Thema » Wenn Kinder Kinder kriegen– überforderte Jung-Omas«.
Ich hätte sie nach Hause begleiten und zu ihren weiteren Lebensumständen befragen können, das wäre tolles Material für die Privaten gewesen und hätte etwas Extrageld gegeben– aber ich war es so leid! Ich war müde, mein Bauch tat weh, Maja lag ungünstig, und ich hatte keine Lust mehr, mich auf der Straße hinter Kamera und Mikro zu verstecken.
» Sagen Sie mir bitte noch Ihren Namen?«, wandte ich mich noch einmal an die Frau. Als sie nicht reagierte, fragte ich etwas lauter und betont langsam: » IH-REN NA-MEN BIT-TE!«
Als sie antwortete: » Ach so, Melanie Müller– kommt das jetzt in Fernsehen?«, schwor ich
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