Wickelkontakt - Roman
aufbringt.
Umso mehr freue ich mich jetzt auf mein Treffen mit Sarah, der Mama von Oskar, und bin gespannt, ob wir uns gut verstehen werden. Das mit Mona wird sich schon wieder einrenken. Irgendwie, irgendwo, irgendwann.
26
» Himmelstraße 7 , hier ist es«, sagte ich zu Jonas.
Wir standen vor einem imposanten Altbau mit verschnörkelten Balkons in einer hübschen kleinen Kopfsteinpflasterstraße, die von alten Bäumen gesäumt war und direkt zum Stadtpark führte.
» Wow«, sagte er andächtig und legte den Kopf in den Nacken, um am Gebäude hochzusehen. » Schick!«
» Ja, hat deine Freundin gut ausgesucht, nicht?« Ich grinste und hakte mich bei ihm ein.
Jetzt hofften wir nur, dass die Wohnung, die wir uns ansehen wollten, auch so viel hermachte wie das Haus.
Bei Hanseradio hatte gestern ein Zettel am Schwarzen Brett gehangen: Zweieinhalbzimmerwohnung in Winterhude sucht Nachmieter, den ich mir gleich unter den Nagel riss, als niemand hinsah. Ansprechpartner war Chris aus dem Marketing, der wegen seiner neuen Freundin nach Berlin umzog und dringend einen Nachmieter suchte.
Beziehung hin, Freiheit her, nachdem Chris mir von der Wohnung vorgeschwärmt hatte, rief ich Jonas an, um ihm zu erklären, dass wir sie uns unbedingt ansehen mussten. Die Fakten sprachen für sich: Zweieinhalb Zimmer, Altbau, hohe Decken, Balkon, Badewanne und Einbauküche– besser ging es doch gar nicht! Und bezahlbar war sie mit siebenhundert Euro Warmmiete auch.
Zwar hatten wir noch gar nicht wirklich darüber gesprochen, dass wir zusammenziehen wollten, aber es bot sich ja nun an. Wink des Schicksals und so weiter. Außerdem beteuerte Jonas fast jeden Tag, dass er sein Leben mit mir verbringen wollte, dann konnte er auch jetzt gleich damit anfangen.
Jonas drückte bei Chris Marquardt auf die Klingel, es summte, und wir stiegen achtundneunzig Treppenstufen hinauf. Jonas zählte, ich schnaufte vor Anstrengung. Wenn wir diese Wohnung bekamen, brauchte ich mich jedenfalls nicht mehr beim Sport anzumelden.
Oben öffnete uns Chris, der uns gleich versprach, bei seinem Vermieter die Hand für uns ins Feuer zu legen, wenn wir uns entschieden, sie zu nehmen– und ganz danach sah es aus. Schon beim ersten Blick in den Flur, das schöne alte Parkett, die hohen, hellen Fenster und das große Badezimmer fielen Jonas und ich uns jubelnd in die Arme. Über das kleine, das halbe Zimmer sprachen wir nicht. Aber in meinem Kopf entstanden wie von selbst Gedanken von sonnengelben Wänden mit einer Tierbordüre, einem Babybett, einer Wickelkommode und einem Schaukelstuhl. Ich fühlte mich schon jetzt hier zu Hause und wie im siebten Himmel. Sollten wir diese Wohnung in der Himmelstraße bekommen, konnte mir nichts mehr passieren, dachte ich. Abends konnte ich vor Aufregung nicht einschlafen. Ich dachte an die neue Wohnung, die wir hoffentlich bekommen würden, und grübelte darüber nach, was aus meiner Karriere geworden war. Ich wusste es nicht.
Am nächsten Tag fuhr ich mit einem traurigen Gefühl in den Sender. Schon die ganzen Tage hatte ich mich mies gefühlt, wie vor einer Mathearbeit. Heute war es so weit. Der Tag X, mein letzter Arbeitstag, war gekommen.
» Ja, dann auf euch, äh, und macht so weiter wie bisher!«
Ich hob mein Glas und meine Kollegen auch, einige murmelten: » Alles Gute für dich!« und tranken. Schweigen breitete sich im Konferenzraum aus, bis Mona einen Schritt auf mich zutrat und mir ein Fotoalbum in die Hand drückte.
» Hier, wir haben dir noch eine kleine Erinnerung zusammengestellt«, sagte sie, und mir stiegen die Tränen in die Augen. Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht vor meinen Kollegen zu heulen, kam aber einfach nicht dagegen an.
Es war so weit. Mein letztes Stündlein in diesem Sender hatte geschlagen. Jetzt blieb mir nur noch, meinen Schlüssel abzugeben und meine Sachen aus dem Spind zu holen. Mona und die übrigen Kollegen, auch Tom, hatten mich nach meiner letzten Frühschicht im Konferenzraum mit einem Brötchen- und Sektbuffet überrascht, und ich kämpfte die ganze Zeit schwer mit den Tränen. Also aß ich mit ihnen ein Brötchen, das ich kaum hinunterbekam, und spülte mit Sekt nach. Herr Kaiser hatte sich ja schon vor seinem Urlaub auf den Malediven von mir verabschiedet, ich wäre aber auch zusammengebrochen, wenn er jetzt hier gewesen wäre. Wie peinlich mir das Ganze war, brauchte ich ja wohl niemandem zu sagen.
Alle Kollegen hatten sich hier eingefunden, wir kamen auf fünfundzwanzig
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