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Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell

Titel: Widersacher-Zyklus 01 - Das Kastell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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was Musik widersprach. Eine Disharmonie, eine schrille Kakophonie, die in den Gewölben ihres Selbst widerhallte und Risse und Fugen in den festen Barrieren des Willens entstehen ließen. Die Umgebung wich, und es blieben nur die Augen … nur die Augen …
    Magda wankte am Rande ewiger Zeitlosigkeit …
    Bis sie die Stimme ihres Vaters vernahm.
    Sie klammerte sich geistig daran fest, wie an einem Seil, das ihr Halt bot und an dem sie sich nach oben ziehen konnte – zurück in die Welt, die sie kannte. Aber die Worte des alten Mannes galten nicht ihr; er sprach nicht einmal rumänisch.
    Der Blick des gespenstischen Wesens glitt fort, und von einer Sekunde zur anderen war Magda frei. Die Hand ließ sie los.
    Sie schnappte nach Luft und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Sie fühlte kalten Schweiß auf der Haut. Noch immer fauchten Böen durchs Zimmer, zogen an ihrer Kleidung, am Kopftuch und nahmen ihr den Atem. Ihr Grauen wuchs, als sie beobachtete, wie sich das unheimliche Geschöpf ihrem Vater zuwandte.
    Der alte Mann zuckte nicht einmal zusammen. Erneut erklang seine Stimme, und wieder benutzte er eine Sprache, die Magda nicht verstand. Das gräßliche Lächeln in dem bleichen Gesicht verschwand, und die Lippen bildeten eine dünne Linie. Das Wesen kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und dachte offenbar über die Worte des Professors nach.
    Magda sah die blasse Fratze und konnte sich nicht von der Stelle rühren. Sie bemerkte, wie die Mundwinkel der Gestalt zuckten. Dann sah sie ein knappes Nicken – eine Entscheidung.
    Plötzlich wurde es wieder still in der Kammer, und die Böen wichen zusammen mit der unheilvollen Erscheinung in die Finsternis zurück.
    Magda und ihr Vater gaben keinen Ton von sich, als zögernde Wärme heranflutete und es wieder hell wurde. Ein Holzscheit im Kamin knackte – es klang wie ein Pistolenschuß. Die junge Frau spürte, wie ihre Knie nachgaben. Sie sank nach vorn, streckte instinktiv die Hand aus und hielt sich am Rollstuhl fest.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte Vater Cuza. Er sah sie gar nicht an und betastete seine Finger durch die Handschuhe.
    »Ich glaube schon.« Magda bebte am ganzen Körper. »Was war das? Mein Gott, was war das ?«
    Der alte Mann ignorierte ihre Frage. »Die Finger … Sie sind völlig taub. Ich kann sie überhaupt nicht mehr fühlen.« Er streifte die Handschuhe ab.
    Das brachte Magda in die Wirklichkeit zurück. Sie stand auf und schob den Rollstuhl ans Feuer heran, dessen Flammen nun wieder in die Höhe wuchsen. Der Schock hinterließ eine sonderbare Leere in ihr, ein schweres Gewicht schien auf ihren Schultern zu lasten, doch angesichts der Krankheit ihres Vaters waren diese Empfindungen zweitrangig. Was ist mit mir? dachte sie. Warum komme ich erst immer an zwei ter Stelle? Warum muß ich dauernd stark sein? Nur einmal – ein einziges Mal – wollte sie sich gehenlassen, es genießen, daß sich jemand um sie kümmerte.
    Sie wischte diese Gedanken beiseite. Eine Tochter mußte zur Stelle sein, wenn ihr Vater Hilfe benötigte.
    »Streck die Hände aus«, forderte sie. »Wir haben hier kein heißes Wasser, aber die Wärme des Feuers sollte genügen.«
    Im flackernden Licht sah sie, daß die Finger des alten Mannes völlig weiß geworden waren, so weiß wie … wie das Gesicht des Wesens . Hornige Haut war an den Nägeln, und an den Kuppen zeigten sich kleine Mulden, Narben, die an verheilten Brand erinnerten. Die Hände eines Fremden, dachte Magda betroffen und erinnerte sich daran, daß sie einst zart und einfühlsam gewesen waren.
    Theodor Cuza streckte sie aus und drehte sie langsam hin und her. Die junge Frau wußte, daß er jetzt überhaupt nichts in den Fingern spürte. Aber später, wenn wieder Blut in den verkrampften Adern floß, empfand er heftigen Schmerz, der kaum zu ertragen war.
    »Sieh nur, was sie dir angetan haben!« entfuhr es Magda zornig und deutete auf die Hände. Sie verfärbten sich blau.
    Theodor Cuza sah fragend zu ihr auf. »Es ist schon schlimmer gewesen.«
    »Ich weiß. Aber so etwas hätte nicht geschehen dürfen! Was wollen sie damit erreichen?«
    »Sie?«
    »Die Nazis! Sie spielen mit uns und stellen irgendwelche Experimente an. Ich weiß nicht genau, was passiert ist … Es wirkte alles sehr real, aber es muß ein Trick gewesen sein. Bestimmt hat man uns hypnotisiert, uns Drogen gegeben, das Licht gelöscht …«
    »Es waren keine Halluzinationen, Magda«, widersprach der alte Mann ruhig und

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