Wie ausgewechselt
konnte doch nicht vor jedem Transfer erst mal eine Umfrage unter den Fans machen lassen, ob wir diesen oder jenen holen oder nicht.«
Auch im Internet formiert sich der Protest. Kein Sturm, eher ein Orkan. Eine Website mit der Adresse »moeller-raus.de« wird ins Leben gerufen. Auszüge von damals: »Assauer hat es tatsächlich gewagt, die größte Hassfigur eines jeden Schalkers zu holen: Andrea, auch bekannt als Heulsuse, Möller.« Die ganze Wutpalette bricht auf Assauer herein: Sorgen und Ängste, Beleidigungen und Beschimpfungen, Spott und Hohn von Fans anderer Vereine etwa: »Brot statt Möller«. In den ersten Heimspielen im Parkstadion wird der Neue mit Pfiffen und Transparenten empfangen, auf denen zu lesen ist: »Feind bleibt Feind!«, »Möller, verpiss dich!« oder »Zecke Möller, willkommen in der weiß-blauen Hölle«. Im Schalker Fanvokabular sind alle Dortmunder Zecken.
»Sensationell, wie schnell der Andy eingeschlagen ist. Ein Glücksgriff. In den ersten Saisonspielen haben unsere Fans noch ein bisschen Rabatz gemacht, Möller niedergebrüllt, ›Hau ab, du Zecke!‹ gerufen. Aber ich habe denen immer wieder gesagt: ›Gebt ihm eine Chance, wartet mal ab. Ihr werdet überrascht sein. Außerdem bin ich doch das beste Beispiel. Ich war als Spieler auch mal eine Zecke – und jetzt bin ich Schalker durch und durch.‹ Andys Leistung musste natürlich stimmen, und zwar sofort. Das war die Grundvoraussetzung. Sonst wäre es in die Hose gegangen. Er hat diese Fans überzeugt. Möller sagte damals: ›Schalke ist mein Mount Everest.‹ Er hat ihn bezwungen. Er ist auf dem Platz abgegangen wie eine Rakete. Wenn das nicht gut gegangen wäre mit dem Möller, dann hätten mich meine Kritiker, pardon, schön am Arsch gehabt.«
Am sechsten Spieltag der Saison 2000/01 fegen die Schalker Möllers Exverein Borussia Dortmund in deren Westfalenstadion mit 4 : 0 vom Platz. Möller ist einer der Derbysieger, sein erster »Titel« als Königsblauer. Beim 3 : 2 gegen den FC Bayern im Oktober 2000 gelingt ihm dann sein erster Treffer für Schalke. Der frühere Borusse geht taktisch clever vor, er trifft sich mit Fans in der Kneipe »Schalker Kreisel« und widmet sein Premierentor – natürlich – den Fans. In einem der nächsten Heimspiele ist auf einem Transparent schon keine Verachtung mehr, sondern gar ein Kompliment zu lesen: »Kampfsuse«. Das Eis ist gebrochen. Sogar die Hasswebsite wird kurz darauf geschlossen. Am Saisonende wird Schalke DFB-Pokalsieger und Vizemeister, der knappste und unglücklichste Zweite aller Zeiten. Dennoch zieht man in die Champions League ein. 2001 und 2002 gewinnt Möller mit seiner Mannschaft jeweils den DFB-Pokal.
Noch einen weiteren Dortmunder holt Assauer zum FC Schalke – beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit, weil sich die Geschichte abseits von Toren, Tabellenpositionen und Millionenablösesummen abspielt. Es geht um Werner Weist, Spitzname »Akker«. Von 1968 bis 1970 spielen beide zusammen bei Borussia Dortmund, 1971 folgt Mittelstürmer Weist seinem Kumpel Assauer zu Werder Bremen. Als Assauer 1976 Manager bei den Grün-Weißen wird, bleibt Weist noch ein Jahr und beendet seine Karriere dann mit einer Saison in der Zweiten Bundesliga Süd bei den Stuttgarter Kickers. Jetzt beginnen die Probleme. Weist kann im Leben nach der Kickerkarriere nicht richtig Fuß fassen, stürzt sozial ab, bis er ohne Job dasteht. Da Assauer vom Leid des alten Kumpels erfährt, setzt er sich ins Auto, um ihn zu besuchen. Als erste Hilfsmaßnahme gibt er ihm Geld, besorgt ihm eine vernünftige Wohnung und schließlich einen Job bei Schalke 04. Weist wird Leiter des Fanartikel-Außenverkaufs mit der Aufsicht über das Warenlager und über alle Stände rund um das Stadion. Seit 1996 kümmert er sich mit rund 30 Mitarbeitern um die Fandevotionalien. Als Dortmunder Urgestein hängt er zwar nach wie vor am BVB, und bis Mitte der 90er-Jahre spielt er noch in der Traditionsmannschaft der Borussen. Doch seinen Lebensunterhalt verdient er auf Schalke – dank Assauer, der seine alten Kumpels eben nie ganz aus den Augen verliert.
Wenn Assauer geholfen hat, dann heimlich , still und leise. Zu gutmütig ist er seit jeher auch in finanziellen Dingen, manches verliehene Geld hat er nie wiedergesehen. Eine typische Eigenschaft des Sternzeichens Stier? »Laut Horoskop sind das tatsächlich in der Regel eher gutmütige Menschen«, sagt seine Zwillingsschwester Karin, »aber Stiere haben ihren eigenen
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