Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Tuch und legte es beiseite, damit Andrew es tragen konnte. Aus dem
    Brunnen zog sie einen Krug mit kühlem Apfelwein herauf. Dann wurde der Eintopf vom Herd
    genommen, zugedeckt und mit allem anderen hinaus auf die Veranda gestellt. Als letztes stampfte und
    würzte sie die Kartoffeln, löffelte sie in eine Deckelschale und wickelte eine kleine Decke um das
    Behältnis, um es warm zu halten.
    Wenige Minuten nachdem Shemaine die Glocke geläutet hatte, die an einem Pfosten in der Nähe der
    Treppe hing, kam ein großer, schlaksiger junger Mann zur Hütte hinaufgelaufen, um ihr zu helfen, das
    Ganze zum Schiff hinunterzubringen. Als er keuchend auf der Treppe stehenblieb, tippte er sich
    höflich an den Hut, und ein Grinsen verwandelte seine recht zerklüfteten Züge in ein überaus
    liebenswertes Gesicht. Shemaine war gewiß, daß er die tiefblauesten Augen und das schwärzeste Haar
    besaß, die sie je gesehen hatte, sogar in Irland.
    »Morgen, Miss«, rief er fröhlich. »Ich bin Gillian Morgan. Der Käpt'n schickt mich; ich soll das Essen zum Schiff runterbringen.«
    Shemaines flüchtiges Stirnrunzeln verriet ihre Verwunderung. »Der Kapitän?«
    »Mr. Thornton, meine ich, Miss...«, erklärte Gillian bereitwillig. »Nur daß er's nicht gerne hört, wenn man ihn so nennt. Aber wo Mr. Thornton doch das Schiff entworfen hat und uns unsere Löhne bezahlt - ganz zu schweigen davon,
    daß er dreizehn Jahre älter ist als ich -, na, jedenfalls hat mein Pa ein ganz schönes Theater gemacht, als ich Mr. Thornton beim Vornamen nennen sollte. Also haben ich und mein Pa ihn Käpt'n getauft.«
    »Ich verstehe.« Shemaine nickte lächelnd. »Ich weiß von Mr. Thornton, daß er eine Aversion dagegen
    hat, wenn die Leute ihn bei seinem Familiennamen nennen, aber ich kann mich auch nicht zu einer
    vertrauteren Anrede durchringen.«
    Nun war Gillian an der Reihe, verwirrt zu sein. »Eine Aversion?«
    »Eine Abneigung... einen Widerwillen«, erklärte Shemaine und legte neugierig den Kopf schief. »Hat
    Mr. Thornton Ihnen jemals erklärt, warum er sich nicht gern bei seinem Familiennamen anreden
    läßt?«
    »Nun, er hat bloß gesagt, daß er früher mal Schiffe für seinen Pa gebaut hat. Damals hat er mit
    anderen Männern zusammengearbeitet, hat die gleiche Arbeit gemacht wie sie, aber sein Pa hat immer
    drauf bestanden, daß die Leute ihn Mr. Thornton nannten, wo er doch der Sohn vom Besitzer war. Das
    hat der Käpt'n natürlich gehaßt.«
    Shemaine deutete auf den zugedeckten Eintopf und die mit der Decke umwickelte Schale mit den
    Kartoffeln. »Wir sollten besser zusehen, daß wir das Essen zum Schiff bringen, bevor es kalt wird,
    sonst wird Mr. Thornton am Ende noch uns hassen!«
    »Jawohl! Sonst zieht er uns das Fell über die Ohren; das war' durchaus möglich«, erwiderte Gillian mit leisem Lachen. »Er läßt es einen jedenfalls immer wissen, wenn er sich über was geärgert hat.«
    »Aber er ist doch nie ungerecht, oder?« fragte sie ängstlich.
    »Nein, ungerecht ist er nicht, nur sehr eigen, wenn's um die Arbeit geht, die wir für ihn machen. Er
    erwartet, daß wir unser Bestes geben. Sie wären gut beraten, das auch zu tun, Miss.«
    Shemaine stieß einen leisen, unbehaglichen Seufzer aus. »Ich werde mir jedenfalls Mühe geben.«
    Dann hängte sie das Tuch, in das sie das Brot gebunden hatte, Andrew über den Arm, griff nach seiner
    anderen Hand und nahm
    228
    229
    den Korb auf. Gillian nahm den schweren Topf, die Schale mit den Kartoffeln und den Krug und ging
    damit voran, während sie ihm mit dem Kind ein wenig langsamer folgte. Als sie sich dem Schiff
    näherten, kam Gage ihnen entgegen, nahm Andrew auf den Arm und ihr den Korb ab und begleitete
    sie auf das erst teilweise fertiggestellte Deck.
    Die vier Zimmerleute und der ältere Schiffsbauer warteten an Bord des Schiffes bereits mit
    freundlicher Ungeduld darauf, ihre Bekanntschaft machen zu dürfen. Sie hatten sich sogar in recht
    lauten Andeutungen (und Hänseleien) ergangen, es würde langsam Zeit, daß Mister Thornton endlich aufhörte, sich Sorgen zu machen, er könne die Frau an einen von ihnen verlieren - schließlich konnte er die Vorstellung seiner Dienstkraft nicht bis in alle Ewigkeit hinauszögern. Gillian übernahm
    Andrew von dessen Vater, und wenige Augenblicke später rollte sie sich mit dem Jungen über das
    Deck. Ihr vergnügter Ringkampf entlockte dem Kleinen jubelndes, glucksendes Kreischen, während
    Gage Shemaine endlich in aller Form

Weitere Kostenlose Bücher