Wie Blueten Am Fluss
fangen Sie sie gleich hier und jetzt mit einem Lasso ein, dann haben Sie später keine
Mühe mehr mit ihnen.«
»Auf die Idee bin ich schon oft gekommen«, erklärte ihre Mutter und stieß einen verärgerten Seufzer
aus. »So wie die beiden ständig miteinander raufen, müßte es schon ein Wunder sein, wenn ich diese
Unholde überhaupt groß kriege.«
»Stellen Sie sich einfach vor, daß die beiden eines Tages tapfere Soldaten würden oder etwas in der
Art«, schlug Gage mit einem breiten Grinsen vor. »Da kriegen Sie jetzt schon all die Erfahrung, die
Sie dann brauchen werden.«
»Das können Sie laut sagen, wahrhaftig! Aber es gibt Zeiten, da wäre mir ein kleiner Waffenstillstand
zwischen den einzelnen Schlachten ganz lieb, damit ich mir selbst auch mal eine Strategie
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zurechtlegen könnte. Zum Beispiel, wie ich es zuwege bringe, ihre Holzköpfe gegeneinander zu
klopfen, ohne mir die Finger zu quetschen.«
Der Humor der Frau war einfach zuviel für Shemaine. Da sie das Gespräch, während sie Andrews Bad
vorbereitete, mit anhören konnte, hatte sie alle Mühe, ihr Kichern zu bezähmen, während sie einen
Kessel mit brühheißem Wasser von dem Haken über dem Feuer nahm. Ihre Erheiterung erwies sich
schnell als zu ungestüm, denn während sie mit dem Kessel durch den Flur eilte, entwickelte sich ein
anfänglich noch unterdrücktes Kichern zu einem unbezähmbaren Lachanfall, der so ansteckend war,
daß er erst Andrew, dann Gage und schließlich auch Hannah erfaßte, die bereits an der Haustür stand.
Viele Monate waren ins Land gegangen, seit es in der Hütte das letzte Mal eine solche Fröhlichkeit
gegeben hatte. Für Gage war es wie ein Zauberelixier, das sein ganzes Wesen wärmte.
Nach und nach verebbte das Gelächter, und Hannah, die sich zum Gehen anschickte, bat, auf die
Veranda deutend, um einen Gefallen. »Wenn Sie nichts dagegen hätten, Gage, ich habe zwei Stühle
mitgebracht, die ich gern repariert hätte, wenn Sie demnächst mal etwas Zeit übrig haben. Es muß
nicht sofort sein, aber es wäre schön, wenn ich sie wiederbekäme, bevor das Jahr zu Ende geht. Man
sieht es den Stühlen auf den ersten Blick nicht an, aber die Rückenlehnen fallen schon fast von den
Sitzen. Es ist gefährlich, sie zu benutzen.«
»Ich werde sehen, was sich da machen läßt, Hannah«, versicherte Gage ihr. »Aber sind Sie sicher, daß
Sie sie nicht brauchen, bevor das Jahr vorüber ist?«
»Wir haben mehr als genug Stühle für unsere eigene Familie. Diese zwei da brauchen wir erst zu
Weihnachten, wenn die Verwandtschaft kommt. Charlies Brüder und Schwestern kommen zu Besuch,
und es gibt so viele davon, daß wir am Ende denken werden, eine Armee war' über uns hergefallen.«
Der Gedanke, soviel Zeit für die Reparatur der beiden Stühle zu haben, entlockte Gage ein leises
Lachen. »Ich werde in den nächsten ein oder zwei Monaten vielleicht nicht dazu kommen, mich um
die Sache zu kümmern, aber bis Weihnachten haben Sie die Stühle
bestimmt zurück. Wenn Sie sie früher brauchen, lassen Sie es mich nur wissen. Bis dahin behalte ich
sie zur Erinnerung auf der Veranda.«
Hannah legte den Kopf schief und hielt inne, um dem Lied zu lauschen, das Shemaine Andrew hinten
im Korridor, wo sie ihn badete, vorsang. Es war eine helle, freundliche Melodie, eindeutig irischen
Ursprungs, und die Stimme war so rein und klar wie nur je eine Stimme, die Hannah in ihrem Leben
gehört hatte. Die Frau blickte mit einem Lächeln zu Gage auf. »Falls Sie es noch nicht mitbekommen
haben sollten, Gage Thornton, Ihre Dienerin könnte mir etliches beibringen, und das beschränkt sich
nicht bloß aufs Kochen. Sie hat einen klugen Kopf auf den Schultern, jawohl, ganz zu schweigen von
ihrer engelsgleichen Stimme. Ich glaube, ich sollte gelegentlich mal rüberkommen, wenn sie anfängt,
Andrew das Lesen beizubringen. Bei solchen Dingen hab' ich nie viel getaugt.«
»Shemaine ist alles, was ich zu finden gehofft habe, und noch viel mehr«, gab Gage zu.
»Und da erzählen Sie mir, sie könne nicht kochen«, schalt Hannah ihn mit freundlichem
Kopfschütteln.
Gage hob seine breiten Schultern. »Ich glaube nicht, daß Shemaine bewußt ist, wie viele Talente sie
besitzt. Sie wirkt wahre Wunder, wenn sie am Herd steht, und sie kümmert sich um Andrew, als wäre
er ihr eigener Sohn. Der Junge ist ihr sehr zugetan.« »Jawohl, ich habe heute morgen gesehen, wie
sehr die beiden einander mögen, als Shemaine
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