Wie Blueten Am Fluss
ändern müssen, wenn ich
daran denke, daß er sich lieber selbst von der Lanze treffen ließ, als daß sie mich ins Jenseits
beförderte.«
In den irischen blauen Augen stand ein verschmitztes Funkeln, als Mary Margaret nun den Kopf
betont geziert zur Seite legte. »Haben Sie mich vermißt?«
»Ungemein!« erwiderte Gage mit einem leisen Lachen. Dann holte er ihren kleinen Koffer von der
Veranda herein, während sie sich auf ihren Stock gestützt umsah.
»Wo ist Ihre hübsche Frau? Und Andrew, wo ist der?«
Gage zeigte beiläufig nach oben. »Andrew ist bei seinem Großvater auf dem Dachboden. Wenn Sie
wollen, können Sie hinaufgehen und sich vorstellen. Shemaine ist noch nicht fertig und bedarf meiner
Hilfe, bevor sie sich präsentieren kann.« Er hielt das kleine Gepäckstück in die Höhe, um die
Aufmerksamkeit von Mary Margaret zu erringen, bevor er auf das Schlafzimmer zuging. »Das hier
bringe ich in Andrews Zimmer, falls Sie Ihre Sachen suchen sollten. Das Bett habe ich bereits
aufgestellt, daher werden Sie den Koffer neben dem Bett finden, in dem Sie heute nacht schlafen
können. Ich denke, das größere Bett wird Ihnen bessere Dienste leisten.«
Als Mary Margaret das leise Gemurmel einer tiefen Stimme aus
dem oberen Stockwerk hörte, blickte sie auf. Die Stimme hat einen schönen Klang, fand sie, aber dann
drehte sie sich noch einmal um und richtete besorgt das Wort an Gage. »Sind Sie sicher, daß ich
Andrew nicht störe, wenn ich heute nacht in seinem Zimmer schlafe?«
»Er wird sich freuen, daß er Gesellschaft hat«, beruhigte Gage sie. »Er ist ein bißchen einsam in seiner kleinen Kammer, seit wir die Wand zwischen die Zimmer gezogen haben.«
»Der kleine Lümmel wird ohne Zweifel bald ein Brüderchen oder ein Schwesterchen bekommen«,
kommentierte Mary Margaret ungeniert. »Das wird ihm seine Einsamkeit gewiß versüßen.«
Gage grinste und sah sie mit fragend hochgezogenen Brauen an. »Jetzt erweist es sich, wer in
Wirklichkeit mit Argusaugen Ausschau hält, ob Shemaines Bauch sich rundet«, neckte er sie und hob
dann beiläufig die Schultern. »Sie werden uns schon ein wenig Zeit geben müssen, Mary Margaret.«
»Als hätte ich Ihnen nicht schon mehr als genug gegeben, Sie Halunke!« wies sie Gage lachend
zurecht. »Wieviel Zeit brauchen Sie denn noch?«
»Plus minus ein oder zwei Monate... oder vielleicht mehr.«
Mary Margaret wedelte mit der einen Hand, als wolle sie gegen sein Argument protestieren. »Sie
haben Ihre Zeit verschwendet, sonst wüßten Sie, ob Ihre Frau was Kleines erwartet oder nicht.« Mit
plötzlichem Argwohn beäugte die Irin ihn fragend. »Aber andererseits waren Sie mir immer ein
bißchen verschlossen, Gage Thornton, und ich könnt' mir denken, Sie würden's erst verraten, bis wir
anderen es mit eigenen Augen sehen.«
»Ah, glauben Sie wirklich, daß ich ein solches Geheimnis vor Ihnen verbergen würde?« fragte Gage
mit echter Zuneigung.
Mary Margaret antwortete mit einem übertriebenen Schnauben. »Ich wette, genau das würden Sie tun,
Sie Teufel Sie!«
Während ihr Gastgeber noch leise vor sich hinlachte und Mary Margaret bereits auf den Flur zuschritt,
fiel ihr siedendheiß eine Angelegenheit von größer Wichtigkeit ein. Schnell wandte sie sich um, um
Gages Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, bevor er wieder im Schlafzimmer verschwand. Es ging ihr
zutiefst gegen den Strich,
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den Thorntons so bald nach ihrem Kampf mit Horace Turnbull und seinen Männern schlimme
Nachrichten zu überbringen, aber sie war der Meinung, daß ihre Freunde davon erfahren mußten. »Sie
haben wahrscheinlich noch nicht gehört, daß Samuel Myers seit zwei Tagen verschwunden ist...«
Gage sah sie verblüfft an. »Sie meinen, er hat Newportes Newes verlassen?«
»Nur im Geiste.«
Gage zog die Augenbrauen hoch. »Was soll das heißen?«
»Man hat Mr. Myers heute morgen in seinem Brunnen gefunden. Sein Hals war gebrochen.« Sie
seufzte versonnen. »Man hätte ihn vielleicht nie entdeckt, wenn sich sein Fuß nicht irgendwie im
Zugseil verfangen gehabt hätte.«
Gage runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube nicht, daß er sich bei seinem Sturz in den Brunnen
den Hals gebrochen hat.«
»Er ist wohl auch nicht gerade freiwillig in den Brunnen gestiegen. Alma Pettycomb sagte, sie habe
neulich Mr. Myers aufgesucht und ihn im Streit mit seinem Nachbarn, Dr. Ferris, angetroffen. Es sah
so aus, als hätten die beiden Männer sich wegen Annie
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