Wie Blueten Am Fluss
zu reden. »Machen Sie sich
meinetwegen keine Gedanken. Andrew und ich werden schon zurechtkommen.«
Seine Antwort stellte Shemaine keineswegs zufrieden, aber einem Impuls gehorchend bückte sie sich
und drückte ihm einen Kuß auf die Stirn, ein Einfall, der seine Augenbrauen vor Überraschung in die
Höhe fahren ließ.
»Wir kommen zurück, sobald wir können«, murmelte sie und strich kurz über seine Hand, bevor sie
sich abwandte, um Andrew an sich zu ziehen und zu küssen. An der Treppe drehte sie sich noch
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einmal mit einem Lächeln zu ihnen um. »Und ihr beide werdet jetzt hübsch brav sein, sonst wird Mrs.
McGee euch verpetzen.«
Andrew gluckste bei dem Gedanken, daß sein Großvater zu gutem Benehmen ermahnt werden müsse.
William zwinkerte ihm zu, setzte sich dann seine Augengläser wieder auf, griff nach einem anderen
Buch und zog den Kleinen wieder an seine Seite, um ihm weiter vorzulesen.
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20. Kapitel
Die Hochzeitszeremonie, bei der Annie Carver und Dr. Colby Ferris vereint wurden, war ein freudiges
Fest. Shemaine hatte ihre Freundin noch nie so hinreißend gesehen. Das hellblaue Kleid, das Colby
mehreren Näherinnen für seine Braut in Auftrag gegeben hatte, brachte Annies Teint gut zur Geltung
und verlieh ihrer hellen, olivfarbenen Haut und ihren grauen Augen einen warmen Schimmer. In ihr
glattes braunes Haar waren blaue Bänder geflochten worden, bevor man ihr die Zöpfe zu einer
kunstvollen Hochfrisur festgesteckt hatte. Miles Becker, ein enger Freund des Arztes, hatte ihr ein
Paar modische Schuhe angefertigt und sie dem Paar als ein verfrühtes Hochzeitsgeschenk überreicht.
Colby Ferris hatte ebenfalls eine Verwandlung durchgemacht. Der stoppelige Backenbart, der bisher
seine hageren Züge bedeckt hatte, war abrasiert, sein jetzt ordentlich gestutztes Haar wurde im Nacken von einem schwarzen Band zusammengehalten. Die maßgeschneiderten Kleidungsstücke aus einem gedeckten grauen Tuch verliehen seiner hochgewachsenen, schlaksigen Gestalt ein würdevolleres
Aussehen.
Die Gelübde sprachen sie mit leisen, undeutlichen Stimmen, und nachdem der Bund mit einem Ring
und einem zögerlichen Kuß besiegelt war, knieten Annie und Colby nieder, um den Segen des
Priesters zu empfangen. Zur heiligen Ehe vereint, erhoben sie sich und wandten sich um, um die
Glückwünsche ihrer Freunde entgegenzunehmen.
»Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen Dr. und Mrs. Ferris vorstellen.«
Die Gäste antworteten mit herzlichem Applaus, während überall in der Kirche Hochrufe laut wurden.
Gage und Shemaine traten zusammen mit Calley und Ramsey vor das frisch verheiratete Paar.
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Mit Freudentränen in den Augen schlang Annie die Arme um Shemaine und hielt sie eine Weile eng
an sich gedrückt.
»Hätten Sie je gedacht, daß wir in diesem Land hier so glücklich sein würden, Myliedy?«
»Nein, Annie«, lachte Shemaine und erwiderte innig die Umarmung ihrer Freundin. »Ich hätte nie
gewagt, zu glauben, daß aus meiner Verhaftung soviel Schönes erwachsen würde - bis Gage mich
kaufte und mich mit in sein Haus nahm. An dem Tag begann mein Leben von neuem.« Sie trat zurück
und sah ihre zierliche Freundin lächelnd an. »Ich wünsche dir und Colby alles Glück der Welt,
Annie... und mögt ihr viele wunderschöne Kinder bekommen.«
Annie warf einen furchtsamen Blick auf Colby und errötete. »Sie werden's vielleicht merkwürdig
finden, Myliedy, wo ich doch ein Baby bekommen hab', aber ich war mein ganzes Leben bloß ein
einziges Mal mit einem Mann zusammen. Ehrlich, ich bin so nervös wie eine unberührte Jungfrau.«
Shemaine lächelte. »Ich bin sicher, daß Colby sanft mit dir sein wird, Annie... genauso, wie er es bei Calley war, als er ihr Kind auf die Welt geholt hat. Du hast doch gesehen, wie vorsichtig er war.
Kannst du dir vorstellen, daß er dir gegenüber roh sein könnte?«
Annie schüttelte den Kopf. »Nein, Myliedy.«
»Dann brauchst du ja keine Angst zu haben.«
Schließlich trat Shemaine zurück, um auch den anderen Gelegenheit zu geben, mit Annie zu reden.
Dann hakte sie sich bei ihrem Mann unter und blickte glücklich in seine warm leuchtenden Augen.
»Annie bringt mir erst richtig zu Bewußtsein, wie reich ich bin.«
»Kein Bedauern mehr, daß du England verlassen mußtest, meine Liebste?« fragte Gage zärtlich und
strich liebevoll über ihre Hand, die auf seinem Ärmel ruhte.
Sie senkte ihren feuerroten Schopf und versuchte den Klumpen, der sich
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