Wie Blueten Am Fluss
Baumstumpf und war so gut versteckt, daß ich ihn überhaupt nicht gesehen habe,
aber Andy hat ihn bemerkt.«
Shemaine erinnerte sich an das bemitleidenswerte Geschöpf, mit dem sie sich angefreundet hatte. Sie
hatte Cain für harmlos gehalten und fürchtete nun, daß sie sich vielleicht geirrt haben könnte. »Hat
Cain ihm etwas getan?«
»Nein, es war nur der Schock, der Andy so Hals über Kopf davonlaufen ließ.«
Erleichtert drückte Shemaine den zitternden Jungen dicht an sich. Als sie Gage heranstürmen sah, rief
sie beruhigend: »Es ist alles in Ordnung. Andy hat sich nur erschreckt.«
Als Gage sie erreicht hatte, mußte Gillian alles, was er Shemaine erzählt hatte, noch einmal erklären, aber sein Arbeitgeber ging den Dingen weiter auf den Grund. »Haben Sie Cain gefragt, was er da im Wald zu suchen hatte?«
Gillian nickte. »Deshalb bin ich erst so spät gekommen. Es ist ziemlich schwer, ihn zu verstehen,
Käpt'n, aber soweit ich mir einen Reim auf das Ganze machen konnte, hat er über Ihre Gattin
gewacht.«
»Er wacht über Shemaine?« Gage zog verwirrt die Stirn kraus und tauschte einen verwunderten Blick
mit seiner Frau, bevor er sich abermals an den jüngeren Mann wandte. »Hat Cain auch gesagt,
warum?«
»Ja, er sagte etwas darüber, daß Potts und andere... ihr Böses wollten.«
»Andere? Haben Sie ihn gefragt, wer... wer das sein könnte?«
»Ich hab's versucht, Käpt'n, aber er wollte nicht antworten. Er hat sich nur aus seinem Schlupfloch
geschlängelt, sein Maultier aus seinem Versteck gezerrt und ist davongeritten.« Gillian schüttelte den Kopf. »Käpt'n, Sie sollten sich mal ansehen, was er da im Wald aufgebaut hat. Mir ist vollkommen schleierhaft, wann er das gemacht haben könnte. Er hat für sein Maultier mit dicken Stöcken eine
Koppel abgesteckt und dann ein paar Büsche davor aufgestellt, so daß man das Tier nicht mehr sehen
konnte. Das Ganze wirkte so natürlich, daß ich es nicht bemerkt habe, obwohl ich nur ein paar Schritte davon entfernt stand. Für mich sah es so aus, als hätte 524
er die Absicht, eine ganze Weile dazubleiben und wollte nicht, daß die Leute, die in den Wald
kommen, ihn sehen... auch wir nicht.«
»Ich wüßte doch gern, ob er nicht vielleicht der war, den wir die ganze Zeit gesucht haben«, murmelte
Gage halb bei sich selbst.
»Keine Ahnung, Käpt'n«, antwortete Gillian. »Aber für mich steht fest, daß er schon eine ganze Weile
da draußen gehaust hat.«
Gage runzelte die Stirn. »Aber wie wollte Cain Potts denn aufhalten, wenn er sich plötzlich hier
gezeigt hätte?«
Diese Frage konnte Gillian ihm beantworten. »Ich war ungefähr fünfzig Schritte weit entfernt, als
Andy anfing zu schreien, und ich bin natürlich zu ihm gelaufen, um festzustellen, was ihn so in Angst
versetzt hatte. Da habe ich dann Cain gesehen, wie er da in einem hohlen, alten Baumstamm hockte.
Er hatte einen grünen Zweig davor gezogen und hielt sich so still wie eine Maus, bis ihm klar wurde,
daß ich ihn gesehen hatte. Als er den Zweig wegschob, habe ich sofort gesehen, daß er eine verrostete
Pistole auf dem Schoß liegen hatte. Ich hab' mich ganz schön erschreckt, weil ich nicht wußte, ob er
das Ding nicht womöglich gegen uns richten würde. Weiß Gott, Käpt'n, die Pistole sah so alt aus, daß
sie ihm womöglich in der Hand explodiert wäre, wenn er sie abgefeuert hätte. Ich glaube, er wollte
damit auf Potts schießen.«
Gage nahm seiner Frau den immer noch schniefenden Jungen ab. Shemaine hatte seine Augen
getrocknet und ihm die Nase geputzt, aber Gage konnte das Zittern seines Sohnes immer noch spüren.
Er schlang seine kleinen Arme um den Hals seines Vaters und hielt sich entschlossen dort fest,
zumindest bis Shemaine ihm beschwichtigend mit der Hand über den Rücken strich. Da hob Andrew
den Kopf und sah sie mit einem kläglichen Grinsen an.
»Du kleiner Halunke«, neckte sie ihn. Dann zauste sie ihm das Haar. »Du hättest mich beinahe zu
Tode erschreckt.«
»Ich nehme ihn mit runter zum Schiff«, sagte Gage.
»Gillian!« rief Andy und sah sich nach dem jungen Mann um.
Gillian stellte sich so hin, daß der Junge ihn sehen konnte. »Ich bin hier, Andy.«
»Wir gehen zu Papas Schiff. Kommst du mit?«
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Gillian lachte. »Das sollte ich wohl besser. Pa wird sich bestimmt schon fragen, wo ich abgeblieben
bin.«
Shemaine sah ihnen nach, bis sie die Werft hinaufstiegen, dann drehte sie sich um und stellte fest, daß alle, die
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