Wie Blueten Am Fluss
hatte, dessen Fellschnüre mit solcher Endgültigkeit zu, daß ihr Gatte seine Pläne
augenblicklich zunichte gemacht sah. So sehr es sie verlangt hatte, Shemaine tot und begraben zu
sehen, konnte sie doch eine so großzügige Summe wie diese nicht leichtfertig ablehnen, ohne ihrem
Vater dafür Rede und Antwort stehen zu müssen. »Unterschreib ihre Papiere, Everette«, befahl sie
anmaßend. »Es wird uns wohl kaum ein anderer Käufer mehr als vierzig Pfund bieten.«
Kapitän Fitch öffnete den Mund, um zu protestieren, hielt jedoch prompt inne, als er dem
schadenfrohen Blick des Siedlers begegnete. Ihm wurde plötzlich klar, daß er, wenn er auch weiterhin
ein Schiff befehligen wollte, keine andere Wahl hatte, als die Papiere des Mädchens zu unterzeichnen
und es dem Siedler zu überlassen. Mit widerwilligem Murren händigte er das entsprechende
Dokument aus. »Ich weiß nicht, was ich dem anderen Gentleman sagen soll, wenn er kommt, um das
Mädchen zu holen.«
»Ich bin sicher, daß Ihnen dazu etwas einfallen wird«, versetzte Gage voller Verachtung. Dann rollte
er mit der Andeutung eines Lächelns das Pergament zusammen und schob es in den flachen Beutel an
seiner Hüfte.
54
Er warf einen kurzen Blick auf Shemaine. »Bist du fertig?«
Sie hatte nur noch einen Wunsch: fort zu sein, bevor Kapitän Fitch ein Grund einfiel, um sie noch
einmal aufzuhalten. Als sie sich hastig nach Annie umschaute, sah sie, daß ihre Freundin furchtsam
die Fragen des kleinen Mannes beantwortete, den Morrisa zurückgewiesen hatte. Sie hob zum
Abschied eine Hand und mußte plötzlich blinzeln, um die Tränen zu verscheuchen, die ihr die Sicht
trübten, während Annie ihrerseits mit einem schwachen Nicken und einem ebenfalls tränenreichen
Blick antwortete. Als Shemaine sich dann abermals ihrem neuen Herrn zuwandte, versuchte sie, ihre
Gefühle unter Kontrolle zu bringen. »Ich habe keinen anderen Besitz als die Kleider, die ich am Leibe
trage, Sir, so ärmlich diese auch sind. Ich bin bereit, zu gehen, wann immer Sie bereit sind.«
»Dann machen wir uns gleich auf den Weg«, drängte Gage. Als er einen kalten, zornigen Blick von
James Harper auffing, der hinter Shemaine stand, fügte er hinzu: »Ich habe hier nichts weiter zu
erledigen, und es scheint sich ein Unwetter über uns zusammenzubrauen.«
Shemaine blickte zu dem düsteren Himmel auf, der dicht über ihren Köpfen zu hängen schien. Aber
als sie die wütenden Gesichter der Männer ringsum bemerkte, wurde ihr klar, daß die Worte des
Siedlers sich nur teilweise auf das Wetter bezogen hatten. Bereitwillig ließ sie sich davonführen.
55
3. Kapitel
Für einen Mann, der noch vor kurzem im Hinblick auf seine Ziele äußerste Sparsamkeit für notwendig
erachtet hatte, überlegte Gage Thornton, war es ihm gerade bemerkenswert gut gelungen, jede
Aufwallung von Sparsamkeit zu unterdrücken, um Shemaine O'Hearn zu bekommen. Kein Mensch
wäre angesichts des offenkundigen Eifers, mit dem er eine so fette Börse angeboten hatte, auf den
Gedanken gekommen, daß er nun den Kauf dringend benötigter Baumaterialien für sein Schiff würde
aufschieben müssen, bis einige wohlhabende Kunden aus Williamsburg ihm die in seiner Werkstatt in
jüngster Zeit angefertigten Möbelstücke bezahlt hatten. Dies bedeutete eine Verzögerung, die er
normalerweise nicht so ohne weiteres in Kauf genommen hätte. Aber so, wie die Dinge lagen, war er
jetzt der Besitzer dieser Vertragsarbeiterin, und seine Begeisterung hätte nicht größer sein können,
hätte er das ganze letzte Jahr systematisch auf dieses Ereignis hin geplant und gespart. Es war in der Tat eine Seltenheit, daß er eines seiner Ziele erreichte, ohne sich zuvor qualvoller Planung, harter Arbeit und sorgsamen Knauserns unterziehen zu müssen.
Shemaines Gedanken kreisten ebenfalls um die Tatsache, daß ihre Papiere sich nun im Besitz dieses
Siedlers Gage Thornton befanden. Für die nächsten sieben Jahre ihres Lebens würde sie seiner
Autorität unterstehen. Sie würde ihm den Haushalt führen, für sein Kind sorgen und alles tun, was man
vernünftigerweise von einer Dienerin erwarten durfte. Viele Fragen standen noch offen, aber für den
Augenblick zumindest erschien ihr ihre Situation nicht übermäßig bedrückend. In der Tat war sie
erleichtert, daß die Dinge sich so gut gefügt hatten. Sie bezweifelte, daß sie Grund haben würde, sich ihres Abschieds von der London Pride mit einem anderen Gefühl
Weitere Kostenlose Bücher