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Wie Blueten Am Fluss

Wie Blueten Am Fluss

Titel: Wie Blueten Am Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie ohne jeden Anlaß geglaubt hatte, er wolle sie in sein Bett zerren. Dabei hatte er
    bereits angedeutet, daß Witwer nicht unbedingt gleichbedeutend mit Wüstling war. Außerdem fiel ihr
    ein, daß er sie ohnehin viel zu dünn fand.
    Während ihr hämmerndes Herz sich langsam beruhigte und sie
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    nach und nach wieder zu Verstand kam, war Shemaine auch in der Lage, das volle Ausmaß dessen zu
    begreifen, was er zu ihr gesagt hatte. Irgendwie überraschte sie seine scharfe Wahrnehmung. Kapitän
    Fitch hatte sich in seinem Bemühen um ein geheimes Stelldichein für äußerst schlau gehalten, aber
    hier stand nun ein völlig fremder Mensch vor ihr, der seine Motive sofort durchschaut hatte. Vielleicht war Gertrude Fitch nicht ganz so scharfsinnig, wie sie selbst es sich gern einbildete.
    Shemaine, die immer noch um ihre Fassung kämpfte, senkte den Blick und nahm seine
    Entschuldigung mit spröden Worten an. »Sie hatten vermutlich Grund genug, sich durch mein
    kindisches Benehmen gekränkt zu sehen, Mr. Thornton. Aber mir ging es darum, daß es sich für einen
    unverheirateten Herrn, wie Sie es sind, nicht schickt, sich mit den Armen und Beinen einer Dame zu
    beschäftigen. Ich begreife jetzt allerdings, daß Sie mir lediglich helfen wollten.«
    Und daß sie mich nicht vergewaltigen wollten! fügte sie stumm hinzu und schalt sich im Geiste eine dumme Pute.
    »Das möchte ich immer noch«, versicherte Gage ihr freundlich. Shemaine riß die Augen auf, da seine
    Antwort so unmittelbar auf ihren eigenen krausen Gedanken folgte. Mit schierer Willenskraft gelang
    es Shemaine, ihre ungebärdigen Phantasien im Zaum zu halten und aufmerksamer auf das zu hören,
    was ihr Herr gerade sagte, damit sie am Ende nicht noch ihren eigenen Illusionen zum Opfer fiel. Sein
    Ton klang nachdrücklich, aber dennoch beinahe bittend. »Ich glaube, die Salbe würde einiges gegen
    deine Wunden ausrichten können.«
    »Dann will ich es Ihnen gestatten.« Mit dieser gnädig vorgebrachten Erlaubnis atmete Shemaine
    zitternd, aber mit einem tapferen Lächeln durch. »Aber seien Sie bitte vorsichtig. Jacob Potts hat mich heute an meiner Fußkette zu Boden gerissen, und ich weiß nicht, was schlimmeren Schaden genommen hat, meine Kehrseite oder meine Knöchel.«
    Die winzigste Andeutung eines Grinsens strafte seine ansonsten ernste Miene Lügen. »Wenn du
    möchtest, will ich dir gern beides einreiben.«

HO
    Kaum war es Shemaine gelungen, ihre zügellose Phantasie in ihre Schranken zu weisen, da machte er
    ihre Bemühungen auch schon wieder zunichte. Kein Wunder, daß sie dazu neigte, das Schlimmste zu
    vermuten. Sein Humor gab solchen unbedachten Spekulationen stets neue Nahrung.
    Die grünen Augen bedachten den gutaussehenden Mann mit einem unverhohlen argwöhnischen Blick.
    Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und versuchte, seine Schlagfertigkeit auf die Probe zu stellen.
    »Wenn ich nach der flüchtigen Bekanntschaft, die ich bisher mit Ihrem Humor gemacht habe, auf
    dessen Quelle schließen sollte, Mr. Thornton, würde ich schwören, daß Sie als Säugling Ihren Eltern
    gestohlen und ins Zwergenreich gebracht worden sind. Dort brachte man Ihnen genußvoll bei, die
    geduldigste Seele durch die verschiedensten Foppereien zum hellen Wahnsinn zu treiben.«
    Gage brach in herzliches Lachen aus. »Und ich dachte immer, es läge an dem Stein, den ich auf König
    Unfugs Burg geküßt habe«, konterte er und deutete gleichzeitig mit weit ausholender Geste auf den
    Schaukelstuhl vor dem Herd. »Setz dich dort hin, Shemaine, dann massiere ich die Salbe in deine Haut
    ein.«
    »Ich weiß nicht, ob ich noch ohne Hilfe stehen kann, wenn Sie fertig sind«, murmelte sie mit einem
    übertriebenen Stöhnen. »Bei dem Gestank dreht sich einem ja der Magen um.« Plötzlich kam ihr ein
    ganz anderer Verdacht, und sie sah ihn durchdringend an. »Sie wollen mich mit diesem Zeug doch
    nicht zum Narren halten, oder?«
    Seine Augen blitzten belustigt auf. »Auf jeden Fall könnte ich dich überall riechen, wenn du
    beschließen solltest wegzulaufen.«
    Shemaine wandte sich prompt ab, um auf der Stelle die Flucht zu ergreifen, aber Gage hielt sie mit
    einem kurzen Auflachen am Arm fest und zog sie zurück.
    »Na komm schon, Shemaine. Ich tue nur, was die Zwerge mir mit solchem Erfolg beigebracht haben.
    Merkst du denn bei all dem irischen Blut, das in deinen Adern fließt, nicht, wenn du aufgezogen
    wirst?«
    Immer noch argwöhnisch legte sie den Kopf schräg.

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