Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)
ahnen, was seine Bitte ihr antat. »Nicht, Zach. Es ist zu spät. Ich halte das nicht mehr aus. Lass mich … nur einfach gehen. Lebewohl sagen. Wirf die Thermoskanne in den Sund.«
»Ich vermisse Mia«, sagte er. Lexi spürte, wie ihr die Tränen kamen.
Wie kam es nur, dass sie nie früher darüber gesprochen hatten? Sie wollte schon sagen, wie leid es ihr tue, doch da schüttelte er den Kopf und sagte: »Aber dich vermisse ich auch, Lexi.«
»Zach …« Jetzt konnte sie ihn durch ihre Tränen kaum noch sehen, aber sie konnte sie auch nicht wegwischen.
»Ich weiß nicht, wie du mir je verzeihen kannst … ich kann mir ja selbst nicht verzeihen, und ich verstehe auch, wenn du mich hasst. Aber Lex … o Mann … es tut mir so leid.«
» Dir tut es leid? Aber ich habe deine Schwester getötet.«
Er blickte sie an. Sie sah, wie unsicher er war, wie groß seine Angst. »Könntest du mich je wieder lieben?«
Sie starrte auf seine verschwommene Gestalt zwischen Schatten und Mondlicht und dachte an das erste Mal, als er sie geküsst hatte, das erste Mal, als er ihre Hand gehalten hatte; dann an den Tag, als er vor Gericht aufgestanden war und gesagt hatte, er sei auch schuldig; an den Tag, als er ihre Tochter in seine Arme genommen hatte. All das war in diesem Augenblick da: das Gute, das Besondere, das Traurige, das Entsetzliche. Alles, was sie als Jugendliche waren, und alles, was sie jetzt als Erwachsene zu sein versuchten. Sie konnte ebenso wenig ihre Liebe zu ihm leugnen, wie sie mit Gewichten in den Sund gehen und sich ertränken konnte. Manche Dinge waren im Leben einfach so, und ihre Liebe zu ihm gehörte dazu. Es war ganz gleich, dass sie noch jung waren oder dass es viele Gründe gab, warum sie nicht zusammen sein sollten. Wichtig war nur, dass er sich irgendwie in ihr Herz geschlichen hatte und sie ohne ihn verloren war. »Aber ich liebe dich doch«, sagte sie leise. »Ich hab versucht, es zu bekämpfen …«
Da nahm er sie in die Arme und küsste sie. Bei der süßen, schmerzlich vertrauten Berührung seiner Lippen fühlte sie sich, als würde ihre Seele von den Ketten der vergangenen Jahre befreit, als könne sie endlich ihre Flügel ausstrecken und fliegen, über den Himmel segeln. Sie klammerte sich an ihn und weinte endlich um ihre beste Freundin, die sie getötet, um die Jahre, die sie im Gefängnis verloren hatte, und um die Tochter, deren frühe Kindheit sie nie wieder zurückholen konnte. Dieser Augenblick überstieg ihre kühnsten Hoffnungen, die Liebe, gegen die sie so inbrünstig angekämpft hatte, überwältigte sie nun.
Sie löste sich von ihm und starrte staunend zu ihm auf. Die Tränen in seinen Wimpern ließen ihn unglaublich jung erscheinen. Plötzlich sah er wieder wie der Junge aus, dem sie vor vielen Jahren in einer Nacht wie dieser ihr Herz geschenkt hatte, während die Scheinwerfer vom Highway über sie hinwegzischten. »Wie?«, sagte sie. Mehr brachte sie nicht hervor, aber sie wusste, dass er sie verstand. Wie sollten sie denn wieder von vorn anfangen?
»Ich liebe dich so sehr, Lexi«, sagte er. »Mehr weiß ich nicht.«
»Was machen wir denn? Wo sollen wir anfangen?«
Er gab ihr so vorsichtig die schmutzige Thermoskanne, als wäre sie ein Artefakt einer längst untergegangenen Zivilisation. In gewisser Weise stimmte das auch. »Wir halten unser Versprechen.«
Lexi hielt die Zeitkapsel in ihrer Hand und stellte sich die goldenen Ohrringe, den Christophorus-Anhänger und das zerfranste Freundschaftsbändchen darin vor.
Sie spürte, dass Mia jetzt bei ihnen war – in der warmen Sommerbrise, im Rascheln der Blätter, im steten Herzschlag des Wassers. Sie küsste die sandige Oberfläche der Thermoskanne und vergrub sie wieder. Dann klopfte sie den Sand an der Stelle fest. »Sie ist hier.« Und sie spürte zum ersten Mal seit Jahren ihre beste Freundin an ihrer Seite.
Da endlich lächelte Zach. »Sie wird immer hier sein.«
Dann nahm er ihre Hand, und sie standen auf. »Geh mit mir nach Hause, Lexi«, bat er. Sie konnte nur nicken. Nach Hause.
Still gingen sie zum Haus, und sie dachte: So machen wir das, so sprechen wir mit unserer Tochter. Hand in Hand.
Am nächsten Morgen wachte Grace früh auf. Schläfrig tappte sie in ihrem rosafarbenen Schlafanzug den schmalen Flur hinunter und zog ihre gelbe Decke hinter sich her.
Als sie bei Daddys Zimmer ankam, war die Tür zu. Sie stieß sie auf und wollte schon sagen Wach auf, Schlafmütze, brachte aber nicht mehr hervor als: »Wa
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