Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition)

Titel: Wie Blüten im Wind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
Vom Netzwerk:
lieben.«
    Lexi wollte jetzt nichts Falsches sagen. Es war ein bedeutsamer, ein magischer Augenblick. »Kein Abschied«, sagte sie aus tiefstem Herzen.
    Sie sahen sich an, und in ihrem Blick spiegelten sich ihre Gefühle: die Erkenntnis, dass sie sich in naher Zukunft trennen mussten und dass sie sich liebten; und die Hoffnung, dass in dieser Zukunft etwas überdauern würde, dass drei Teenager sich in einer mondhellen Nacht versprechen konnten, für immer Freunde zu bleiben, und dieses Versprechen halten würden.
    Sie knieten sich weit oberhalb der Flutgrenze in den Sand und gruben am Fuß des alten Baumes ein tiefes Loch, in das sie ihre Zeitkapsel legten.
    Lexi wollte nicht, dass es endete, sie wollte noch weitere Versprechen für eine Zukunft, die ihr ungreifbar erschien. Doch als die Thermoskanne verbuddelt war und der Sand aussah wie vorher, war die Gelegenheit vertan.

N EUN
    Anfang Juni war Judes Garten die reinste Pracht. In dieser Zeit konnte sie sich – endlich – einen Moment lang zurücklehnen und ihr Werk bewundern. Überall sah sie den Lohn ihrer sorgfältigen Planungen und besonnenen Eingriffe. Die Beete waren mit ihren süß duftenden rosafarbenen Rosen, den üppigen weißen Pfingstrosen und dem emporragenden blauen Rittersporn die reinste Farborgie. Der dunkelgrüne Buchsbaum, mit dem sie sich solche Mühe gegeben hatte, bildete langsam das Skelett des Gartens. Über allem blühte golden ein Lotusbaum; wie er leicht zur Sichtachse verrückt vor dem tief blauen Himmel leuchtete, sah er aus wie ein Bild von Monet.
    Sie sah, dass jetzt alles zusammenwuchs, zusammenpasste. Bald, vielleicht sogar schon im nächsten Jahr, konnte sie ihn für die Gartenrundfahrt melden.
    Sie streifte ihre erdverschmierten Handschuhe ab und stand auf. Der berauschende Duft der Rosen wehte zu ihr und ließ sie etwas länger innehalten als beabsichtigt. Hier herrschte ein solcher Frieden! Jede Pflanze, jede Blume, jeder Busch war nach ihren Plänen gesetzt worden. Wenn ihr nicht gefiel, wie etwas wuchs, blühte oder sich ausbreitete, riss sie es einfach heraus und ersetzte es. Sie war die Rote Königin dieses Reichs, bestimmte alles und wurde niemals enttäuscht.
    Aber nicht nur deshalb fühlte sie sich gerade so wohl. Erst nachdem ihre Zwillinge an der University of South California angenommen worden waren, hatte sie erkannt, welch eine Anspannung, welch ein Stress das Abschlussjahr für sie bedeutet hatte. Endlos hatte sie sich Sorgen gemacht, einer der beiden würde eine Bewerbungsfrist verpassen, einen unwiderruflichen Fehler machen, oder es fände sich kein College, an dem sie zusammen studieren könnten. Jetzt konnte sie endlich wieder ruhig schlafen. Erstaunlicherweise freute sie sich sogar darauf, dass ihre Kinder das Haus verließen. Natürlich hatte sie immer noch Angst um sie, doch der Frühling hatte nicht nur den düsteren Himmel aufgehellt, sondern auch ihre Grundstimmung. Sie erhaschte bereits einen Blick auf den neuen Lebensabschnitt, in dem sie wieder Herr über ihre Zeit wäre. Wenn sie Landschaftsarchitektur studieren oder ein Geschäft für Gartenzubehör eröffnen wollte, konnte sie das tun. Und wenn sie einfach nur den ganzen Sommer im Liegestuhl verbringen und die Klassiker lesen wollte, die sie bis jetzt vernachlässigt hatte, konnte sie auch das tun. Wenn sie wollte, konnte sie sogar einen ganzen Sommer lang nur Comics lesen!
    Die Vorstellung war befreiend – und leicht beunruhigend.
    Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war kurz vor drei, was hieß, dass die Kinder jeden Moment von der Schule nach Hause kommen würden. Nach dem Muster des letzten Monats würden sie umringt sein von einem Schwarm Klassenkameraden, die allesamt leicht berauscht wirkten von der Illusion, jetzt erwachsen und bald von der Schule befreit zu sein. Sie waren aufgeputschte, hoch emotionale Versionen ihres alten Selbst. Die Jungen lachten manchmal zu laut; die Mädchen waren gefühlsselig und brachen bei den nichtigsten Anlässen in Tränen aus.
    Aber es war kein Wunder, dass die Gefühle an diesen ersten goldenen Sommertagen überkochten. Die großen Ereignisse warfen ihre Schatten voraus. Die meisten Kinder auf der Insel waren schon seit der Grundschule miteinander bekannt und befreundet. Jetzt waren sie hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch hierzubleiben, wo alles sicher und vertraut war, und weit, weit weg zu fliegen, um die Flügel, die ihnen gerade gewachsen waren, auszuprobieren. Mit jedem Tag und jeder

Weitere Kostenlose Bücher