Wie der Vater so der Tod
kehrt mit zwei Plastikbechern zurück. Bier schwappt über den Rand auf den Teppich. Er scheint es nicht zu bemerken. Als er mir den einen Becher reicht, läuft mir braune Flüssigkeit über die Hand. Ich habe richtig Durst, und deshalb nehme ich einen großen Schluck. Dann halte ich mir den kühlen Becher an die Wange. Eigentlich schmeckt das Zeug gar nicht so schlecht, es ist nur ein bisschen bitter.
Rachel wählt diesen Moment, um auf mich zuzukommen. Schon vor der Geschichte mit dem Beerdigungsinstitut hatten wir nicht viel gemeinsam, abgesehen von dem Klarinetten-Flöten-Duett, mit dem Mr. Sommers uns in der achten Klasse beglückte. Ich weiß gar nicht, was sie jetzt von mir will.
»Heiß hier drin, nicht wahr?«, sagt sie. Ich halte noch immer den Becher an die Wange. Sie tritt mir gegenüber, und ihr Blick huscht zu Alex hinüber. Verstehe, sie hat mit ihrem Freund Schluss gemacht und ist auf der Suche nach einem Nachfolger. Deshalb will sie mit mir reden.
Ich weiß nicht, was über mich kommt – ich habe nur den einen großen Schluck getrunken. Am Bier kann es also nicht liegen, aber ich beschließe plötzlich, mich mit ihr anzulegen. »Und ob«, sage ich und lege Alex den Arm um die Hüften, um sie zu ärgern. Ich rechne schon damit, dass er zur Seite ausweicht, damit mein Arm abgleitet. Es ist schließlich eine Sache, auf einer Klavierbank zu knutschen, und eine ganz andere, eine Beziehung öffentlich bekannt zu machen. Alex legt gleichfalls den Arm um mich.
Rachel blinzelt, schüttelt den Kopf und betrachtet ihr Bier. Vielleicht glaubt sie an eine Halluzination. Sie ist daran gewöhnt, im Mittelpunkt männlicher Aufmerksamkeit zu stehen. Was man den Jungs nicht verdenken kann. Sie hat das kastanienbraune Haar der Frauen in den Werbespots: glänzend und federnd. Ihre Augen werden groß, und mit einem Ruck wendet sie sich um und stolziert davon, ohne ein Wort. Und ich stehe mit dem Arm um Alex da.
»Möchtest du tanzen?« Alex dreht mich zu sich um.
Ich weiß nicht recht. Dann aber lege ich ihm eine Hand auf die Schulter und halte den Becher mit der anderen. Ich staune noch immer darüber, dass er mich Miss Perfect vorzieht.
Ich trinke einen weiteren großen Schluck.
»He, vorsichtig damit!«, sagt Alex. Dann beugt er sich vor und gibt mir einen sanften Kuss. Meine Lippen fühlen sich ein bisschen taub an.
»Machst du das noch einmal, wenn ich noch mehr trinke?«, frage ich und setze den Becher an, ohne eine Antwort abzuwarten.
Er küsst mich erneut, diesmal etwas länger. Dann lege ich die Wange an seine Brust und schließe die Augen. Ich bin müde. Sehr müde.
»Noch ein Bier?«, fragt Alex.
Mein Becher ist fast leer. Ich reiche ihn Alex. »Danke.«
Die Musik wird plötzlich schnell. Ich tanze und trinke den zweiten Becher. Alex nimmt meine Hand und dreht mich im Kreis. Der Raum schwankt um mich herum, doch das ist nicht weiter wichtig. Ich bin mit Alex hier, und wir haben einen Mordsspaß. Nachdem wir ein paar Minuten getanzt haben, kriege ich noch mehr Durst. Ich weiß, dass ich Wasser trinken sollte, aber stattdessen reiche ich Alex den leeren Becher. »Holst du mir eins?«, frage ich mit süßem Lächeln.
Alex lacht und nimmt meinen Becher.
»Gibt es hier was zu essen?«, frage ich, als er zurückkommt. Hoppla. Sonst habe ich eigentlich bessere Manieren.
»Wie wär’s mit Fritos? Auf dem Tisch dort drüben.«
Ich wanke in die Richtung, in die er weist, und stoße unterwegs einen Farn um. Einige Blätter fallen auf den Boden. Ich hasse Farne. Machen immer Dreck. Ich hebe die Pflanze auf und stelle sie wieder auf den Tisch. Sie sieht etwas kränklich aus, aber das ist bei Farnen oft der Fall.
Bei der Fritosschüssel angelangt, nehme ich eine Handvoll und stopfe mir die Dinger in den Mund, wobei ich des Öfteren das Ziel verfehle. Für den Boden spielt es kaum eine Rolle, denn der ist bereits mit Popcorn und Skittles-Kaudragees übersät.
»Sollen wir einen Blick in den Keller werfen?«, fragt Alex, als ich darüber nachdenke, ein Dragee aufzuheben und zu essen.
Ich weiß beim besten Willen nicht, warum der Keller der Russels interessant sein sollte, aber zum Teufel auch. »Klar.«
Der Weg die Treppe hinunter stellt eine gewisse Herausforderung dar, weil der Boden immer wieder von einer Seite zur anderen kippt, aber schließlich erreichen wir eine Welt orangefarbener und brauner Veloursteppiche. Ich wusste gar nicht, dass noch jemand Veloursteppiche hat, setze mich auf eine
Weitere Kostenlose Bücher