Wie deutsch ist das denn?!
Türkenherrschaft, kommt Bewegung in die Sache. Im Jahr zuvor war Ioannis Antonios Graf Kapodistrias, der erste Präsident des frisch gegründeten Staates, ermordet worden. Auf Empfehlung der Signatarmächte Großbritannien, Frankreich und Russland kürt die griechische Nationalversammlung den erst 17-jährigen Sohn Ludwigs I., Prinz Otto, zum neuen König ihres Landes. Im gleichen Jahr reisen drei griechische Gesandte nach München, erleben das Fest auf der Theresienwiese und zeigen sich beeindruckt:
» In den Nachmittagsstunden erwiderten wir eine Einladung, an einem besonderen Fest teilzunehmen, das jährlich am Achten dieses Monats stattfindet und ›Oktoberfest‹ genannt wird. Es wird auf einer ausgedehnten Fläche außerhalb der Stadt abgehalten. Das besagte Fest stellt eine Nachahmung der Olympischen Spiele dar, und die Veranstaltungen lassen sich auf das alte Griechenland zurückführen. «
Dieser Bericht facht das Feuer der Olympiabewegung weiter an. Wieso sollten Griechen nicht können, was im fernen Bayern bestens funktioniert? Ein Jahr später tritt der griechische Journalist und Dichter Panagiotis Soutsos auf den Plan, ein glühender Befürworter des Olympia-Revivals. In einem seiner Gedichte heißt es ebenso anklagend wie sehnsüchtig:
Wo sind all eure Theater und Marmorstatuen?
Wo sind eure Olympischen Spiele?
Soutsos regt beim Innenministerium eine Wiederbelebung der Spiele nach dem Münchner Vorbild an, stößt aber zunächst auf taube Ohren. Einen Bundesgenossen findet er erst wesentlich später in dem reichen griechisch-rumänischen Geschäftsmann Evangelos Zappas. Der lässt 1856 König Otto auf diplomatischem Weg einen Brief zukommen, in dem er anbietet, Olympische Spiele selber zu finanzieren. Der König zeigt sich nicht abgeneigt, setzt aber eher auf eine Messe zur Förderung der griechischen Wirtschaft und nicht auf die Neuauflage einer antiken Sportveranstaltung.
Ottos Ehefrau Amalie ringt ihrem Mann schließlich einen Kompromiss ab, und 1858 erlässt Otto eine 16 Artikel umfassende Königliche Verordnung » über die Errichtung der Olympien « – aufgezogen nach dem ursprünglichen Muster des Münchner Oktoberfestes unter Einbeziehung » gymnischer Spiele auf Staatskosten in dem dafür hergerichteten Stadion « . Die Olympien sind somit in erster Linie als Industrie- und Landwirtschaftsmesse angelegt, mit einem sportlichen Rahmenprogramm aus Pferderennen, Ringkampf, Laufen, Weitsprung und Diskuswerfen. Am 15. November 1859 ist es so weit: Mitten in Athen, im wieder aufgebauten antiken Panathinaikos-Stadion, finden die ersten offiziellen Olympischen Spiele der Neuzeit statt– 37 Jahre vor den von Pierre de Coubertin mit dem von ihm gegründeten Internationalen Olympischen Komitee organisierten. Weitere Olympien gleicher Machart folgen in den Jahren 1870, 1875 und 1889.
Das Münchner Pendant entwickelt sich derweil unaufhaltsam von seinen Ursprüngen weg in Richtung Jahrmarkt. Zur Pferderennbahn gesellen sich Kletterbäume, Kegelbahnen und Schaukeln , und 1818 dreht sich auf der Wiesn das erste Karussell.Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird das Fest zeitlich verlängert und in die letzten Septembertage vorverlegt, weil der Altweibersommer in dieser Zeit meist schöne und warme Tage verspricht. Ab 1880 genehmigt die Münchner Stadtverwaltung schließlich den Bierverkauf; ein Jahr später eröffnet die erste Hendlbraterei. Parallel dazu zieht das Oktoberfest immer mehr Schausteller und Karussellbetreiber an, die für immer neue Attraktionen sorgen.
So sind die Olympischen Spiele und das Oktoberfest, ursprünglich zwei Veranstaltungen im gleichen Geist und Stil, nach und nach immer weiter auseinandergedriftet. Und trotzdem– sieht man genauer hin, dann treten die griechisch-olympischen Wurzeln heute durchaus wieder zutage: Bereits 1902 erhielt der Schausteller Carl Gabriel vom Magistrat die Genehmigung, ein Hippodrom auf dem Festplatz aufzustellen. Publikumsmagnet war in der Mitte des Zeltes eine 60 Meter lange Reitbahn mit 25 Pferden, auf denen sich die Gäste im Reiten versuchen konnten– eine Volksbelustigung, die sich buchstäblich galoppierender Beliebtheit erfreute.
Seit 1989 gehört auch der Name Olympia zum festen Inventar der Wiesn. Damals hatte der von den olympischen Ringen inspirierte Olympia-Looping Premiere, die bis heute größte transportable Fünfer-Loopingbahn der Welt. Ob wohl je einer der Wiesn-Besucher, die sich hier Kopf und Magen verdrehen lassen, auf den
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