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Wie ein Blütenblatt im Sturm

Wie ein Blütenblatt im Sturm

Titel: Wie ein Blütenblatt im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Blick erinnerte er sie an Oberst von Fehrenbach. Der blonde Preuße war ein Aristokrat, der für das Geschäft des Krieges erzogen worden war, doch dieser schwarzhaarige Franzose ent-stammte dem Bürgertum und hatte sich hochgearbeitet.
    Nichtsdestoweniger war selbst in diesem schummrigen Licht zu erkennen, daß sie unter all den äußerlichen Un-terschieden Brüder waren, die den gleichen Kriegsgeist und die Wachsamkeit von Strategen teilten.
    Ob Roussaye genauso zornig war wie von Fehrenbach?
    Von allen Hauptverdächtigen besaß er auf jeden Fall das beste Motiv, um Störungen zu verursachen.
    Maggie suchte sich einen Platz neben Roussaye und überlegte, wie sie am besten mit ihm ins Gespräch kommen sollte, da niemand anwesend war, der sie hätte vorstellen können. Der General konzentrierte sich auf den Tanz, und sie folgte seinem Blick.
    Maggie hatte noch nie einen Bauchtanz erlebt, denn in den wenigen Etablissements, wo man Derartiges sehen konnte, waren Frauen unerwünscht. Der Anblick ließ sie ungläubig blinzeln. War es einer Frau wirklich möglich, ihre Brüste in unterschiedlichen Richtungen kreisen zu lassen? Aber so unwahrscheinlich, wie es ihr vorkam - sie hatte die Bestätigung vor Augen. Die schwingenden Quasten steigerten den Effekt. Für europäischen Geschmack war die Frau ziemlich schwer gebaut, aber sie ließ viel sehen, und alles sah schön und fest aus.
    Maggie mußte irgendeinen Laut der Überraschung ausgestoßen haben, denn nun sagte eine weiche Stimme:
    »Sie ist sehr talentiert, finden Sie nicht auch?«
    Sie wandte sich um und sah, daß Roussaye sie amü-
    siert musterte. »Das ist sie, Monsieur. Ich hatte keine Ahnung, daß man mit dem menschlichen Körper so etwas machen kann.«
    Er deutete auf die Bühne. »Auch wenn Orkov sie als eine Art Kuriosität engagiert hat, ist sie tatsächlich eine sehr begabte Künstlerin.«
    »Männer denken also zunächst einmal an Kunst, wenn sie der Frau auf den Bauch schauen?«
    »Nun, wahrscheinlich ist das nicht der erste Gedanke der meisten Männer«, gab er mit der Andeutung eines Lä-
    chelns zu, »aber ich bin einige Zeit in Ägypten gewesen und kann ein paar Aspekte dieser Kunst beurteilen.«
    Sie rief sich in Erinnerung, daß Roussaye seine erste militärische Erfahrung in Napoleons Ägyptenfeldzug gesammelt hatte, als er fast noch ein Junge war. Ein ein-drucksvoller Mann. Möglichst ungezwungen antwortete Maggie: »Sie hat wirklich einige attraktive Aspekte.«
    Die Musik verklang, und die schweißglänzende Tänzerin verbeugte sich, um eine Pause einzulegen. Die Zuschauer verließen ebenfalls das Zimmer, so daß Maggie mit Roussaye schließlich allein war. »Wie ist es in Ägypten gewesen?«
    Dieses Mal war sein Lächeln wärmer. »Bemerkenswert.
    Man kann die Großartigkeit der Tempel nicht fassen, selbst wenn man genau davor steht. Wir schauen uns eine fünfhundert Jahre alte Kathedrale an und halten sie für antik. Ihre Tempel dagegen sind um ein Vielfaches älter.
    Und die Pyramiden …«
    Roussaye verlor sich einen Moment in seine Erinnerungen. »Bonaparte hat in der größten eine ganze Nacht verbracht. Als man ihn morgens fragte, was er gesehen habe, antwortete er nur, daß ihm ohnehin niemand glauben wür-de.« Mit einem Hauch Traurigkeit fügte er hinzu: »In der uralten Geschichte Ägyptens ist die französische Besatzung bloß ein Lidflattern. Und in Frankreichs Geschichte mag Napoleon auch nicht wichtiger werden.«
    »Vielleicht sind die Menschen in tausend Jahren dieser Meinung«, erwiderte Maggie trocken. »In unserer jetzigen Zeit aber erscheint er mir aber als einer der Größten und Übelsten unserer Generation.«
    Roussaye versteifte sich, und Maggie befürchtete, daß sie zu weit gegangen war. Zwar wollte sie eine Reaktion aus ihm herauskitzeln, ihn bestimmt aber nicht so verärgern, daß er sich zurückzog.
    »Sie sind keine Französin, Madame«, sagte er kalt.
    »Man kann nicht erwarten, daß Sie ihn so sehen, wie wir es tun.«
    »Aber wie sehen die Franzosen denn Bonaparte? Ich bin eine von vielen, die einen hohen Preis für seinen Ehrgeiz bezahlt haben. Könnten Sie mich überzeugen, daß es irgendeinen Sinn gehabt hat?«
    Die dunklen Augen des Generals hielten ihre fest. »Sie hatten recht, als Sie sagten, er sei einer der größten Männer unserer Generation. In seinen jüngeren Jahren hatte man in seiner Nähe stets das Gefühl, als … als würde ein starker Wind wehen. Der Kaiser hatte mehr Kraft und Elan als jeder

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